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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17
Autoren: Bastei Lübbe
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erkannte Annika, dass das Bett, das sie für leer gehalten hatte, einen Körper beherbergte. Er war vollständig unter der Bettdecke verborgen. Nur eine Masse von Haaren wucherte unter dem Deckenrand hervor und überzog das Kissen wie mattschwarze Flechten.
    Annika nahm ihren Rucksack ab und stellte ihn auf den Fußteil ihres Bettes. »Darf ich den Vorhang zurückziehen?«
    »Natürlich«, erwiderte Schwester Nanita. »Wenn Sie wollen.«
    Annika trat vor das Fenster. Sie zog den Vorhang auf – und prallte zurück.
    »Was ist das?«, keuchte sie.
    Hinter dem Vorhang war keine Fensterlaibung und auch kein Rollo. Sondern eine rechteckige, verglaste Wandnische. Hinter dem Glas hingen an Halterungen Dutzende chirurgischer Instrumente. Scheren und Sägen und Bohrer und Zangen und Messer; einige funkelten wie neu, andere waren angelaufen oder sogar rostig.
    »Das ist Zimmerschmuck«, erklärte Schwester Nanita.
    »Zimmerschmuck?«, wiederholte Annika entgeistert.
    »Eine Vitrine mit Antiquitäten«, erläuterte die Schwester. »Alte medizinische Geräte. Das ist doch interessanter als van Gogh’sche Sonnenblumen auf Kunstdruckpapier oder postergroße Urlaubslandschaften der Amateurfotografen unter den Stationsangestellten. Meinen Sie nicht auch?«
    Es war interessanter. Dennoch wären drei Viertel aller Patienten nach dem, was Annika seit dem Betreten des Klinikums erlebt hatte, Hals über Kopf getürmt. Annika ließ sich nicht leicht schockieren. Sie konnte die gruseligsten Horrorfilme ansehen, ohne dass die Bilder sie bis in ihre Träume verfolgten. Sie war von nüchterner, praktischer Gemütsart. Aber sogar Annika hätte jetzt vielleicht die Flucht erwogen, wenn nicht …
    Wenn nicht Schwester Nanita gewesen wäre, deren sympathische Erscheinung und vertraueneinflößende Normalität das beste Beruhigungsmittel waren.
    »Warum hat das Zimmer kein Fenster?«, wollte Annika wissen.
    »Wegen der Selbstmörder.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Viele Krankenhäuser beugen Selbstmordabsichten der Patienten vor, indem sie Fenster einbauen, die sich nicht öffnen, sondern nur einen Spaltbreit kippen lassen. Aber es kann passieren, dass besonders verzweifelte Kranke Stühle oder andere Gegenstände nehmen und die Scheiben einwerfen. Daher wurden auf den Stationen, wo die meisten Selbstmorde vorkamen, die Fenster zugemauert.«
    »Hier kamen Selbstmorde vor?«
    »Manche Patienten sind … empfindlich«, sagte Schwester Nanita ausweichend.
    »Natürlich hat das Zimmer eine Klimaanlage«, betonte sie rechtfertigend.
    Sie deutete auf den Flachbildschirm an der den Betten gegenüberliegenden Längswand: »Fernsehen ist umsonst. Sie können das Gerät vom Bett aus bedienen. Auch das Telefonieren kostet nichts. Wenn sie raustelefonieren wollen, wählen Sie zwei Nullen vorneweg. Sie können auch angerufen werden. Die Nummer Ihres Apparats finden Sie auf dem Kleber an der Unterseite.«
    Das Telefon stand auf dem Schränkchen neben Annikas Bett, zusammen mit einer Flasche mit Mineralwasser und einem umgedrehten Glas.
    »Sie können sich jederzeit Getränke holen oder bringen lassen. Sprudel, stilles Mineralwasser, Apfelschorle, Fruchtsäfte … oder Tee, alle möglichen Sorten. Nachmittags schenken wir in den Patientenzimmern Kaffee aus. Ihr Mittagessen und Abendbrot können Sie vorab aus einer Menüliste auswählen. Die Liste finden Sie in der Nachtschrank-Schublade.«
    »Haben Sie Orangensaft?«, fragte Annika.
    »Meistens«, sagte die Schwester. »Wenn er nicht gerade ausgegangen ist.
    Das Bett ist elektronisch verstellbar«, erklärte sie. »Sie müssen nur die Tasten drücken, dann fährt das Kopfteil hoch, oder das Fußende geht nach oben, oder die Matratzenmitte macht einen Knick, damit die Beine bequemer lagern.«
    Die Schwester führte die Verstellfunktion vor, und summend bewegte sich das obere Ende der Matratze rauf und runter. Sodann nahm die Schwester ein Kabel mit einem roten Druckknopf am Ende, das sich über die Decke von Annikas Bett schlängelte, und band es am Griff der Bettschrank-Schublade fest.
    »Dieser Knopf sollte immer in Ihrer Reichweite sein. Das ist der Schwesternnotruf, mit dem sie uns jederzeit, Tag und Nacht, herbeiholen können, wenn Sie Hilfe brauchen. So, und jetzt packen Sie erst einmal Ihre Sachen aus und richten sich häuslich ein«, beendete Schwester Nanita ihren Vortrag. »Ich komme dann in Kürze wieder. Und nicht vergessen: sollte etwas sein – Schwesternrufknopf!«
    Annika sah zu, wie die
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