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Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens
Autoren: Pierre Bellemare
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dann auch noch das geschlachtete Kalb zeigen? Ich werde eine Buße zahlen müssen, und vielleicht wandere ich sogar ins Gefängnis, und für den armen Jungen ändert sich dadurch überhaupt nichts. Ist es das, was du willst?«
    »Aber Joseph kann kein Mörder sein!«
    »Und warum hat er den Mord dann gestanden? Kannst du mir das vielleicht verraten? Er muß die Alte getötet haben, nachdem er uns verlassen hatte. Ich tue mich auch schwer damit, es zu glauben, aber da er es selbst gesagt hat, wird es stimmen...«
     
    Im Gefängnis von Gueret unterhält sich Maître Capdevieille, ein vom Gericht bestellter junger Anwalt, mit seinem Mandanten Joseph Allard, der inzwischen offiziell des Mordes an Augustine Dubas angeklagt ist.
    Selbst gegenüber seinem Verteidiger erklärt Joseph nicht, daß er unschuldig ist. Er hat keine ganz klare Vorstellung davon, was ein Verteidiger eigentlich zu tun hat, und wie dem auch sei: Er hat seinem Onkel geschworen, von der Schwarzschlachtung nichts zu verraten.
    Da Maitre Capdevieille nicht im vollen Besitz der Wahrheit ist, faßt er die Situation so zusammen, wie sie ihm notgedrungen erscheinen muß: »Die Sache steht nicht allzu schlecht, mein Junge. Bei den Vorfahren, die Sie haben...« Der Anwalt merkt, daß der Metzgerlehrling nicht genau versteht, was er meint, und fügt erklärend hinzu: »Ich will damit sagen, daß die Geschworenen nachsichtig sein werden, da Sie schon früh Waise geworden sind und Ihr Vater Alkoholiker war. Vertrauen Sie mir also.«
    Joseph Allard erwidert nichts darauf. Er ist im Grunde geneigt, diesem Herrn zu glauben, der so freundlich zu ihm spricht. In dem Moment wird die Zellentür aufgerissen. Es ist Wachtmeister Cosson, und er sieht sehr grimmig aus. »Es gibt Neuigkeiten, Joseph, und keine guten, was dich betrifft! Warum hast du mir nicht gesagt, daß du einen Komplizen hattest?«
    Joseph reagiert nicht. Statt dessen schaltet sich jetzt Maitre Capdevieille ein: »Was für ein Komplize? Was ist das für eine Geschichte?«
    »Wir haben im Wald ganz in der Nähe von Sainte-Croix einen Landstreicher aufgefunden, der offenbar einen Sturz erlitten hat und dann in der Nacht erfroren ist. In seinen Taschen hatte er Goldmünzen, die Augustine Dubas gehört haben. Dem Richter wirst du schon erzählen müssen, wo du deinen Anteil versteckt hast, Joseph!«
    Wachtmeister Cosson, der nach wie vor sehr zornig ist, läßt den Anwalt mit dem Gefangenen allein. Kaum ist der Polizeibeamte verschwunden, packt der Verteidiger Joseph bei den Schultern und schüttelt ihn: »Sind Sie sich darüber klar, daß sich damit die gesamte Situation verändert? Wenn Sie einen Komplizen hatten, sehen die Dinge ganz anders aus. Ich werde nichts mehr für Sie tun können!«
    »Wieso ist jetzt alles anders?«
    »Weil es sich jetzt um ein vorsätzliches gemeinsames Verbrechen handelt. Dafür gibt es nicht nur zehn oder zwanzig Jahre Gefängnis...«
    Als erstmals ausgesprochen wird, welche Strafen auf ihn zukommen können, woran er bis dahin überhaupt noch nicht gedacht hat, stößt Joseph einen Schrei aus: »Aber wovon reden Sie denn auf einmal?«
    »Jetzt wartet die Guillotine auf Sie! Zumindest ist das sehr wahrscheinlich. Aber beruhigen Sie sich, es ist noch nicht alles verloren. Ich werde den Fall nochmals genau überprüfen...«
     
    Joseph Allards Gebaren ändert sich mit einem Schlag. Das Wort Guillotine hat in ihm einen Schock ausgelöst. Entsetzt wiederholt er: »Die Guillotine! Aber das ist unmöglich, wo ich doch unschuldig bin!«
    MattreCapdevieille fährt hoch: »Was soll das heißen: unschuldig?«
    »Ja, ich bin unschuldig. Aber ich durfte es nicht sagen, weil ich doch geschworen hatte...«
    Der Anwalt bedrängt ihn mit Fragen, und so kommt es, daß Joseph zum erstenmal die Wahrheit erzählt, eine Wahrheit, die sich immer wieder nur um ein einziges Wort dreht: das Kalb...
     
    Pierre Allard gestand sofort alles, als die Gendarmen zu ihm kamen, um ihn zu verhören. Es nützte ihm nicht viel, ihnen zu sagen, daß er seine Lüge aufrechterhalten hatte, weil er seinen Neffen für schuldig hielt. Er wurde nicht nur wegen der Schwarzschlachtung belangt, sondern auch wegen falschen Zeugnisses. Was Joseph betraf, so wurde er noch am selben Tag aus dem Gefängnis entlassen. Wegen der Schwarzschlachtung machte man ihm keine Schwierigkeiten.
    Die Justiz ging zu Recht davon aus, daß der junge Mann schon genug durchgemacht hatte. Man konnte ihm als einziges vorwerfen, daß er zwar ein
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