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Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens
Autoren: Pierre Bellemare
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in gewisser Weise.«
    Kapitän Mac Stevens schaut auf das Meer.
    »Der Sturm existierte im Kopf des Leuchtturmwächters Marshall, der über alles Buch führen mußte. Ich denke mir, daß er am 13. Dezember den Horizont betrachtet hat, wie ich es jetzt tue, und daß er diese Leere und diese Einsamkeit plötzlich nicht mehr ertragen hat. Daraufhin hat sich sein Geist offenbar verwirrt.«
    Die Stimme des Kapitäns wird immer leiser. Er ist dabei, sich vorzustellen, was sich genau eine Woche zuvor an diesem Ort abgespielt hat.
    »Marshall schreibt: >Trevor ist sehr zornig.< Meiner Meinung nach hat der unglückselige Marshall einen Tobsuchtsanfall bekommen, und der andere wird versucht haben, ihn zu beruhigen. Nur so kann ich diese Formulierung verstehen. Und am nächsten Tag geschieht es dann: Marshall hat inzwischen vollkommen den Verstand verloren und will sich an Trevor rächen. Er tötet ihn. Deshalb schreibt er am 14. Dezember: >Trevor ist ruhig.< Als der dritte Wächter, Baring, entdeckt, was passiert ist, weint er. Ich kannte Baring, er war ein hartgesottener Bursche. Um einen Mann wie diesen zum Weinen zu bringen, muß schon etwas ganz besonders Schreckliches geschehen sein, nämlich ein Mord.«
    »Aber hier war alles perfekt in Ordnung«, wendet Murdoch jetzt ein. »Wenn hier ein Mord verübt worden wäre, hätten wir doch Kampfspuren und Blutflecken entdeckt.«
    »Nicht unbedingt... aller Wahrscheinlichkeit nach hat sich Marshall dem ahnungslosen Trevor von hinten genähert und ihn in einem Überraschungsangriff erwürgt. Erst durch diese Tat wurde Marshall wieder ruhig, denn am 15. Dezember schreibt er: >Der Sturm ist vorbei.< Er wird den Leichnam aufs Bett gelegt und ihm die Hände gefaltet haben, was aus der Formulierung hervorgeht: >Trevor betete<. Doch man konnte den Leichnam dort natürlich nicht lange liegenlassen. Ihn auf Eilean Mor zu begraben, war nicht möglich, da der Boden ausschließlich aus Felsgestein besteht. Also blieb nur das Meer. Die beiden Überlebenden werden beschlossen haben, den anderen im Meer zu versenken, und warum auch nicht, denn: >Gott ist überall<...«
    »Und in dem Moment...?«
    »Ja, in dem Moment geschah die zweite Katastrophe. Als die beiden die Leiche im Meer versenken wollten, wurde Marshall erneut vom Wahnsinn befallen. Er stürzte sich auf Baring, und die beiden versanken gemeinsam in den Fluten. Wir werden natürlich niemals die volle Wahrheit erfahren, aber so könnte es gewesen sein.«
    Kommandant Murdoch betrachtet das Eiland, das sich vor seinen Augen erstreckt und die Kapellengrotte mit dem steinernen Kreuz darauf.
    »Hat Marshall an diese Gespenstergeschichte geglaubt?«
    »Ja, er glaubte daran. Er zögerte lange, bis er diesen Posten hier annahm.«
    Der Kommandant dreht sich um. Mit leiser Stimme sagt er: »In einem hat er sich auf jeden Fall geirrt. Gott ist nicht überall. Zumindest nicht auf Eilean Mor!«
     

D IE S CHWARZSCHLACHTUNG
     
    Der Winter beginnt frühzeitig in diesem Teil Zentralfrankreichs, und an jenem 14. November 1933 ist im Dorf Sainte-Croix und in der Umgebung schon der erste Schnee gefallen.
    Joseph Allard steigt von seinem Rad ab, denn der Weg ist zum Fahren wirklich zu glatt. Zu Fuß legt er die letzten hundert Meter durch den Wald zurück, bis er den Bauernhof seines Onkels erreicht. Zum Glück kennt er den Weg gut, denn es ist sieben Uhr abends und bereits dunkel.
    Als der Hund anschlägt, wird ihm sofort die Tür geöffnet. Die Gestalt einer etwa fünfzigjährigen, zierlichen Frau in einer grauen Bluse erscheint auf der Schwelle.
    »Komm schnell rein, mein Junge! Hoffentlich hast du dich jetzt nicht erkältet!«
    Joseph Allard schüttelt sich den Schnee von seinem Umhang. »Keine Sorge, Tante Eugenie! Ich bin gut eingepackt!«
    Joseph nimmt seine Wollmütze ab und wärmt sich am Feuer ein wenig auf. Er ist ein großer, gutgewachsener Junge mit rotem Haar und einem netten Lächeln.
    Hinter ihm ertönt eine kräftige Stimme: »Es hat dich doch niemand gesehen, oder?«
    Joseph dreht sich um.
    »Es ist alles gutgegangen, Onkel Pierre. Draußen ist es stockfinster.«
    In seinen klappernden Holzpantinen geht Pierre Allard auf seinen Neffen zu. Er ist ein massiv gebauter Mann mit wettergegerbtem Gesicht. Während er Joseph auf die Schulter klopft, meint er zu ihm: »Du kannst dich später noch aufwärmen. Zuerst müssen wir die Arbeit hinter uns bringen. Hast du alles dabei?«
    Joseph zieht aus seinem Umhang drei unterschiedlich große
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