Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nacktes Land

Titel: Nacktes Land
Autoren: West Morris L.
Vom Netzwerk:
im Schatten, und der Wind wirbelte den Sandsteinstaub in dicken Wolken über die Pferdekoppeln. Die Nächte waren kalt und einsam, Dingos heulten im Unterholz, die Myalls sangen unten am Fluß, und Lance schnarchte, ohne von Marys Kummer zu ahnen, zufrieden vor sich hin. Doch während dieser kurzen Stunde, die weder Dämmerung noch Zwielicht, sondern nur eine Pause zwischen Tag und Anbruch der Nacht war, wurde die Erde friedlich und der Himmel sanft, und auch die farblosen einsamen Gebäude bekamen einen Anschein von Heimeligkeit.
    Niemals würde sie sich hier wirklich zu Hause fühlen. Nach drei Ehejahren mit Lance Dillon und zwei Reisen nach Sydney zu ihrer Familie war sie dessen ganz sicher. Sie war ein Kind der Großstadt, geboren und aufgewachsen zwischen Ziegeldächern, gepflegten Rasenflächen und unter Leuten, die alle so waren wie sie selbst. Sie brauchte einen Mann, der um sieben nach Hause kam, morgens um halb acht das Haus verließ und dazwischen ein gemütliches häusliches Dasein führte, nicht diesen braunen Kerl voll lederner Kraft und mit den kühlen Augen, der zuweilen tagelang fortblieb, dann gemächlich heimgeritten kam, staubig und erschöpft, und von ihr Interesse, Ermutigung und auch Trost bezüglich seiner langweiligen Geschäfte erwartete.
    Sie wußte, daß die anderen Frauen im Siedlungsgebiet mit ihrem Leben durchaus zufrieden waren. Hundert Meilen vom nächsten Nachbarn entfernt, hatten sie weiter keine Gesellschaft als die Lubras, die eingeborenen Hausmädchen mit ihren Negerkindern, und die einzigen Besucher waren der Polizist, der Pilot des Postflugzeugs und der fliegende Doktor. Doch wenn Mary ihrer Unterhaltung während der täglichen Plauderstunde über den Kurzwellensender zuhörte, bemerkte sie die Zufriedenheit in ihren Stimmen und fragte sich, warum sie selbst nicht so empfand. »Laß dir Zeit«, hatte Lance in seiner ruhigen, selbstsicheren Art gesagt. »Laß dir Zeit und hab Geduld; langsam wirst du dieses Land schon liebgewinnen. Es ist ein altes Land, Sweetheart, nicht so alt und verbraucht wie Europa, sondern alt, weil die Jahrhunderte an ihm vorübergezogen sind und die Ozeane es vor jeder Veränderung abgeschirmt haben. Bei uns gibt es Vögel, Tiere und Pflanzen, die man sonst nirgends auf der Welt mehr findet. Die Myalls und die Eingeborenen auf der Farm sind unsere letzte Verbindung zur Urzeit. Aber das Land ist auf der anderen Seite auch jung. Noch nie hat ein Pflug seinen Boden berührt, seine Gewässer sind nie eingedämmt worden, und bis jetzt weiß niemand, was sich unter seiner Oberfläche verbirgt. Wir brauchten bloß Öl zu finden, und schon wären wir über Nacht so reich wie Amerika. Lohnt es sich da nicht, ein bißchen Geduld und ein bißchen Mut aufzubringen?«
    Wenn er so redete, völlig uncharakteristisch für einen hart arbeitenden Viehzüchter, hatte sie ihm nie widersprechen können. Sie lächelte dann nur immer zaghaft und ergeben. Aber nun, nach drei Jahren, war ihr das Land immer noch fremd, und auch Lance schien ihr fremd zu werden. Zwarwar er stets gleich freundlich, war rücksichtsvoll auf seine beiläufige Art; aber er schien sie nicht mehr zu brauchen, offensichtlich hatte sie ihm gegenüber genauso versagt wie gegen sich selbst.
    Sie mußte sich bald die Frage stellen: Was ist daran zu ändern? Dieses Land forderte einen ganz. Man konnte es nicht mit halbem Herzen lieben, man konnte es nicht ohne die richtige Einstellung verteidigen. Ein geborstener Stein sprang bald bei der brennenden Hitze am Tag und der bitteren Kälte bei Nacht. Eine Ehe mit einem Sprung hatte ebensowenig Chancen zu überleben. Für einen Mann bedeutete eine unzufriedene Frau nur eine Last. Ihre Alternative war deshalb kurz und bündig: Entweder erfüllte sie das Ehegelöbnis in Gehorsam und Hingabe, oder sie gestand ihre Niederlage ehrlich ein, ging weg und überließ es dem Mann und dem Land, sich in rauher Harmonie zusammenzufinden.
    Diese Gleichung schien auf den ersten Blick sehr einfach, war aber höchst kompliziert zu lösen. Angenommen, Mary entschied sich für Gehorsam und Hingabe – brachte sie dann auch genug Liebe, und brachte auch Lance genügend Verständnis auf, um Beständigkeit und anhaltende Zufriedenheit zu garantieren?
    Als Lance Dillon vor drei Jahren in ihr Leben getreten war, als er bronzehäutig, lächelnd und zuversichtlich, ein erdverbundener Riese in der Vorstadtwelt, vor ihr stand, hatte sie nicht den geringsten Zweifel verspürt. Hier stand
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher