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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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Wolfertshofer.
    So gut es ging, fasste ich meine Geschichte zusammen. Ungläubig schüttelte er mehrfach den Kopf.
    – Und jetzt, fragte er, wie soll das jetzt weitergehen? Wir verkünden der Presse, der Gossec war es! Du bist mit Bild in der Zeitung, dazu dein Laden. Übermorgen hast du keine Schaufensterscheiben mehr. Zum Einkaufen gehst du ab sofort nur noch schwer bewaffnet.
    Mein Schnitzel kam. Keine Gefälligkeitsportion wie bei Wolfertshofer, aber groß genug für jeden ausgewachsenen Appetit. Ich schnitt energisch ein gutes Stück ab.
    – Selber schuld, erwiderte ich. Da muss ich eben durch.
    Wolfertshofer lachte. Seine Bauchwülste hüpften auf und ab. Er hielt sein leeres Bierglas zur Theke hin. Man verstand. Mühsam lupfte er die linke Hinterbacke, um seine Hosentasche durchsuchen zu können. Er förderte eine Handvoll Münzen zutage, drehte sich um und begann den hinter ihm aufgehängten Spielautomaten zu füttern.
    – Weißt was? Wir lassen das so, wie es ist.
    Ich stellte einen Moment lang das Kauen ein.
    – Reden wir nicht drum herum: Die nächsten Tage habe ich ein volles Haus wegen deiner Aktion. Dass das ein Schmarren war, den du da gemacht hast – geschenkt! Ich hingegen habe Narrenfreiheit, außerdem vermutet jeder bei mir einen besonderen Tiefsinn. Dass sich die Zeitungen da aufregen, wurscht! Das gehört zum Spiel. Der Klaffenböck ist als Jesus herumgelaufen, ich eben als Hitler. Na und?
    Er drehte sich kurz um und warf wieder Münzen in den Automaten.
    – Aber die Drohung?, fragte ich.
    Wieder ließ er seine Wülste tanzen.
    – Haben sie dem Konstantin Wecker je ein Haar gekrümmt?
    Er stand auf.
    – Wenn du magst, kommst in meine Vorstellung, ich lade dich ein.
    Nun wendete er sich endgültig dem Automaten zu. Er kramte in seinen Hosentaschen.
    – Ach, ein paar Münzen hättest du nicht zufällig?
    Ich gab ihm gern, was ich hatte, und aß mein Schnitzel auf. In puncto Reue und Buße war mir eine Schnellbleiche zuteil geworden.
    8
    Ich machte mich nach Hause auf. Nach Inspektion meiner Vorräte entschloss ich mich zu einem Pfefferminztee, weil das Kraut wenigstens ordentlich Geschmack hatte. Immer wieder horchte ich in mich hinein, ob sich der Alkoholteufel bemerkbar machte. Aber ich war ganz zufrieden mit meinem Tee, womit ich also für das gute, drogenlose Leben noch nicht vollständig verloren war.
    Gerade hatte ich die Beine hochgelegt, als ich bemerkte, dass mein Anrufbeantworter blinkte. Emma meldete sich gewohnt knapp zurück. Sie sei wieder da. Ich solle mir schon mal eine nette Unternehmung mit ihr einfallen lassen.
    Emma arbeitete inzwischen für Melatone, einen italienischen Feinkostvertrieb, der auch in München über eine Niederlassung verfügte. Für sie als Deutschitalienerin war der Job ideal, wo sie doch mit dem Mutterhaus in Parma korrespondieren und parlieren konnte, ohne dass sich ihre dortigen Chefs auf das Glatteis einer fremden Sprache begeben mussten. Durch ihre Arbeit war sie ständig unterwegs. Schön für sie, wenn sie in Italien einen Abstecher zu Mamma machen konnte, schwierig für uns, weil wir uns phasenweise nur am Wochenende sahen. Aber gerade deshalb waren unsere Treffen immer etwas Besonderes.
    Natürlich empfanden wir die Umstände, unter denen wir nie dauerhaft zusammen sein konnten, als Einbuße. Allerdings, wenn ich tiefer in mich hineinhörte, wusste ich, dass wir gerade deshalb so gut miteinander klarkamen. Früher war Emma über eine Zeitarbeitsfirma in Beschäftigungen vermittelt worden. Wenn sie wieder einmal freigesetzt war, hockte sie tagsüber in ihrem Truderinger Häuschen und beklagte sich abends bei mir, dass wir ständig getrennt seien. In dieser Zeit schmiedeten wir Pläne, eine gemeinsame Wohnung zu suchen. Der Versuch, den ich um ihretwillen unternahm, war jedoch zum Scheitern verurteilt. Meinen Laden und damit meine Existenz durfte ich nicht aufgeben. Und mehr als diese Kombibutze aus Wohnung und Geschäft konnte ich mir einfach nicht leisten.
    Trotzdem stand ich in dieser Zeit des Öfteren in meiner Küche und versuchte mich – wie mit der Zunge an den Zahnschmerz – an den Gedanken heranzutasten, dass dies alles hier bald nicht mehr oder womöglich doch ganz anders sein würde. Dieser feine Kosmos von kleinen praktischen Vorrichtungen, die Männer zu schätzen wissen und bei denen Frauen nur verständnislos die Achseln zucken: der Nagel im Schrank direkt über dem Mülleimer, an dem ein gastronomietauglicher Flaschenöffner an
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