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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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moralischen Herausforderungen des Lebens, sondern nur noch für den Mickey-Rourke-Ähnlichkeitswettbewerb.
    – Und weißt du, was das Schlimmste ist, fragte Julius.
    Mit meinem geschwollenen linken Lid deutete ich an, dass sich etwas Schlimmeres gar nicht denken ließ.
    – Das hier, sagte Julius und tippte auf einen Zeitungsabsatz.
    Nachdem ich keine Anstalten machte, die Sache zur Kenntnis zu nehmen, las er mir vor.
    – Und so weiter, raffte er den Anfang zu bündiger Kurzform, und jetzt kommt es: Hinter der Maske wird der Kabarettist Beppo Wolfertshofer vermutet, der schon mehrfach mit spektakulären Antinazi-Aktionen Furore gemacht hat. Wolfertshofer tritt mit seinem Programm noch bis Aschermittwoch im Schlachthof auf. Und jetzt hör genau hin: Die Nationalen Kameraden München haben auf ihrer Website Wolfertshofer eine seiner Provokation angemessene Antwort angedroht.
    Julius schob mir das Blatt unter die Augen.
    – Du weißt, was das heißt! Ärger auf jeden Fall, womöglich sogar Gefahr für Leib und Leben.
    Wie ferngesteuert stand ich auf, nahm das Espressokännchen an mich und braute mir eine zweite Portion.
    – Du hast recht, sagte ich dann nach einer Weile, den heißen Kaffee schlürfend, ich habe unheimlichen Scheiß gebaut.
    Julius atmete pfeifend aus und schaute mich erleichtert an.
    – Und was machen wir jetzt?
    – Ich muss etwas tun, verbesserte ich ihn. Du bist aus dem Schneider.
    – Und das wäre?
    – Zu Wolfertshofer gehen und ihm sagen, dass die Geschichte auf meine Kappe geht.
    Dann stand ich auf, holte mir einen Karton und klapperte nacheinander Büffet und Kühlschrank ab. In der Kiste verstaute ich alle Alkoholika. Julius guckte mir interessiert zu.
    – Aber du fängst jetzt nicht gleich wieder zu saufen an?
    – Im Gegenteil. Für mich beginnt schon heute die Fastenzeit.
    Ich schaffte alles, inklusive der restlichen Weißbiere, in den Keller. Den Schlüssel hängte ich an ein Kettchen und überreichte ihn Julius.
    – Verwahr das, ich stockte, sagen wir: mindestens die nächsten Wochen und gib mir den Schlüssel auch dann nicht, wenn ich dich schreiend darum bitte.
    Julius nickte tapfer und machte Anstalten zu gehen.
    – Noch etwas . . .!
    Er drehte sich um.
    – Kannst du das Leergut mitnehmen?
    Achselzuckend raffte er die Flaschen und Kästen zusammen und verschwand.
    Mittags sperrte ich pünktlich den Laden zu, hängte ein Schild ins Fenster, nach dem ich im Kundenauftrag unterwegs sei, und legte mich ins Bett. Gegen Nachmittag war ich so weit wieder hergestellt, dass ich den Besuch bei Wolfertshofer in Angriff nehmen konnte.
    7
    Wolfertshofer aufzutreiben, war nicht schwer. Zwei Stunden vor seiner Vorstellung saß er in der Gaststube am Stammtisch und stärkte sich. Gott sei Dank alleine. Wolfertshofer wirkte nicht beunruhigt, mit großem Behagen widmete er sich einem panierten Schnitzel mit Kartoffelsalat. Seine Halbe Bier war schon fast ausgetrunken. Das sah verdammt gut aus. Ich klopfte zweimal auf den Tisch.
    – Darf ich?
    Er schnitt eine Grimasse, die eher Ablehnung bedeutete.
    – Ich muss mit Ihnen reden.
    – Was gibt’s?
    – Ich war es, sagte ich. Diese Hitlergeschichte, meine ich.
    Ich setzte mich neben ihn. Wolfertshofer begann mich mit wohlwollendem Interesse zu mustern. Sein verzinkt-listiges Mienenspiel war mir schon im Fernsehen aufgefallen. Diese Blicktechnik war eine bemerkenswerte Veranschaulichung des Parallaxenfehlers: Er fasste mich ins Auge, ohne sich von seinem Schnitzel abwenden zu müssen. Den linken Mundwinkel zog er dabei zu einer Art Grinsen nach oben. Wolfertshofer war eine bayerische Institution; international gewendet fiel einem zu seiner Statur nur noch Bruder Tuck ein. Für dieses Jahr war er ausgewählt worden, als Bruder Barnabas beim Salvatoranstich den anwesenden Politikern die Leviten zu lesen. Für einen Kabarettisten war dies der Ritterschlag. Die Kutte würde die Ausmaße eines Dreimannzelts haben. Wie man allerdings einen solch massigen Menschen hinter meiner Hitler-Verkleidung vermuten konnte, war mir schleierhaft.
    – Dasselbe, sagte ich zur Bedienung.
    Gerade noch rechtzeitig bemerkte ich über dem Bierausschank die auf eine Holzscheibe gemalte Darstellung von Sankt Florian mit seinem Wasserkübel. Florian ist der Patron der Brauer und Feuerwehrleute; wo es etwas zu löschen gibt, ist er zur Stelle. Aber Heilige haben ein feines Gespür für Gelübde.
    – Alkoholfrei bitte, schickte ich dem Kellner hinterher.
    – Erzähl, sagte
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