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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel
Autoren: Max Bronski
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gut, Maiki, sagte ich.
    Und weg war er.
    11
    Ich schaute auf die Uhr. Neun war es. Seit sieben Uhr war dort drüben am Schlachthof in der Wirtsstube Hochbetrieb, wenn die Arbeiter zum Morgenkaffee einliefen. Inzwischen waren sie sicher schon zum vormittäglichen Weißbierausschank übergegangen. Der Wirt gab sich am Telefon zugeknöpft. Nein, die Nummer von Wolfertshofer werde er auf keinen Fall herausrücken, das habe der sich ausdrücklich verbeten. Eine Nachricht könne er aber schon weitergeben, wenn er aufkreuze.
    Hinterher rief ich Julius an und bat ihn, im Internet nach Wolfertshofers Adresse zu suchen. Das Netz war voll mit Hinweisen auf ihn, aber seine Privatsphäre hatte er abzuschirmen gewusst.
    Mir war ziemlich unwohl in meiner Haut, weil ich nichts tun konnte, außer abzuwarten. Ich schaltete das Radio ein, um die Dauernachrichten zu hören. Ein Vorfall um Wolfertshofer würde dort sicher gleich gemeldet.
    In dieser Zeit kamen meine Kunden zumeist wegen Fasching, um irgendein ausgefallenes Kleidungsstück zu ergattern, mit dem sie sich kostümieren konnten. Aber an einem so nervös-angespannten Tag wie diesem war für mich der Platz hinter der Verkaufstheke grundfalsch; ich war schon gereizt, als der erste Ankömmling die Ladentür allzu forsch aufriss. Sein Kinn war so vollständig in einen fleischigen Kehlsack versenkt wie ein Kotelett in Sülze. Eine Wampe spannte seinen Mantel nach vorne. Diese ästhetischen Handicaps hielten ihn nicht davon ab, wie Massa persönlich aufzutreten.
    – Bisschen staubig hier alles, meinte er.
    Ich kannte die Nummer, mit ihr möchte man einen generellen Preisabschlag von wenigstens zehn Prozent platzieren. Dann beugte er sich vor und schenkte mir das fettig-verschlagene Lächeln eines Metzgers, der sich soeben in sein Schwein zu verlieben beginnt. Schon da war mir klar, dass ich mit den Kaufwünschen dieses Menschen nichts zu tun haben wollte. Und so kam es auch.
    – Ich täte gerne als Hüterbub gehen.
    Ich sähe da figürlich wenig Chancen, sagte ich, Übergrößen gebe es da nicht. Aus dem rustikalen Fach komme für ihn eigentlich nur die Dampfnudel in Frage. Sei auch lustiger.
    Als er die Ladentür hinter sich zugeschmettert hatte, spürte ich, wie mir das Herz bis zum Hals hinauf pochte. Hart und schmerzhaft. In dieser Situation schaltete sich mein Alter Ego ein. Wenn nötig, drückte es in stets überlegener Ruhe seine Missbilligung aus oder gab seine Kurskorrekturen durch. Jetzt ging es in die Küche und kochte mir einen Baldriantee. Das heiße Gebräu half. Die verkrampften Fasern meines Nervengeflechts begannen sich zu entspannen.
    Das Telefon klingelte. Schon nach dem ersten Läuten hatte ich den Hörer in der Hand. Wolfertshofer war am anderen Ende. Ich schnaufte durch. Meinen Hinweisen, dass die Nationalen Kameraden versuchen würden, ihm auf den Pelz zu rücken, hörte er nur ungeduldig zu.
    – Ist ja nett, dass sich jemand um mich solche Sorgen macht. Aber weißt was? Eigentlich geht mir die ganze braune Bruderschaft am Arsch vorbei. Ich lasse mich doch von denen nicht ins Bockshorn jagen.
    Sein Abwiegeln rief bei mir wieder jene angespannte Nervosität hervor, die ich gerade mit Tee heruntergedimmt hatte. Aber er wollte nichts von meinen Befürchtungen wissen. Schon um ein Auge auf ihn haben zu können, wollte ich heute Abend unbedingt sein Programm besuchen.
    – Ist noch was?, fragte er.
    – Meine Freundin kommt mit.
    – Ist in Ordnung, ich lass’ zwei Karten zurücklegen.
    Grußlos hängte er ein. Ich verstand ihn nicht, aber vielleicht war man als Kabarettist durch die vielen Anwürfe einfach unempfindlich geworden. Unsereinen warfen ja sogar beleibte Hüterbuben aus der Bahn.
    12
    Emma holte mich ab.
    – Ich habe dir was mitgebracht. Venezianische Spezialität.
    Was sie auf den Tisch legte, sah aus wie ein in Papier gepackter Flügel eines jungen Lindwurms. Dazu roch das Päckchen nach altem Fisch.
    – Stoccafisso, sagte sie, meine skeptische Miene bemerkend.
    – Stockfisch?
    – Inzwischen eine Delikatesse.
    Und ein Kronjuwel der deutschen Sprache, das neben Kindergarten, Rucksack und Sauerkraut fast unverändert den Sprung in fremde Artikulationen geschafft hat. Kulturgüter ersten Ranges, um die uns die Welt dauerhaft beneidet. Dass dem Knödel diese Ehre versagt geblieben ist, konnte die Wissenschaft bis heute noch nicht zureichend erklären.
    – Kannst du zum Beispiel al forno zubereiten.
    – Wenn du dich diesem Versuch mit
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