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Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Titel: Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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und sagten mit einer Letitia unverständlichen Litanei Dank.
    Aber wem? Dem Teufel etwa? Wo bin ich da hineingeraten? dachte Letitia und riss ihre Hand abrupt aus Helens Griff. Sie schaute sich gehetzt um und wünschte, niemals nach Stornoway und in dieses verrufene Haus gekommen zu sein.
    Helen lachte heiser.
    »Aber was hast du denn, Letty?« fragte sie. »Fürchtest du dich etwa gar vor uns? Ich bin doch nur deine Großtante, die überglücklich ist, sich wenigstens noch mit Marys Tochter aussöhnen zu können, bevor sie dahingeht. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben. Ich weiß, dass ich hässlich aussehe. Aber ich bin eine alte, schwerkranke Frau.«
    Ihre Stimme erhielt einen leidenden Unterton. Letitia riss sich zusammen. Sie schämte sich für ihr Verhalten und ihre Ängste.
    »Was soll denn die Litanei bedeuten?« fragte sie die Morton-Frauen.
    »Das ist ein gälischer Freudengesang«, antwortete Ann, ohne mit der Wimper zu zucken. »Jetzt, nachdem du Helen begrüßt hast, wollen wir dich bewirten. Aber zuerst wirst du dich frischmachen wollen. Komm, ich zeige dir dein Zimmer.«
    »Aber ich kann doch im Gasthaus wohnen.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist hier bei deinen Verwandten. Das Haus ist groß genug.«
    »Wir sehen uns später wieder, Kindchen?« krächzte Helen und sank in die Kissen zurück.
    Ann zog Letitia einfach mit sich. Ihr Griff war stählern, sie duldete keinen Widerspruch. Sie brachte Letitia die Treppe hoch und auf einer weiter hinten gelegenen Treppe in den rechten Flügel im zweiten Stock des Morton-Hauses. Letitia schätzte, dass das Haus mindestens fünfzig Zimmer hatte.
    Es war riesig. In einem so großen Privathaus hatte Letitia sich noch nie aufgehalten. Ihre Verwandten mussten tatsächlich reich sein, wenn sie so etwas unterhalten konnten. Ann öffnete eine Tür. »So, das ist dein Zimmer, Letty. Siehst du, alles ist hübsch eingerichtet.«
    Das helle Zimmer mit dem flauschigen orangefarbenen Teppich und den Schleiflackmöbeln musste einem jungen Mädchen gefallen. Durchs Fenster schien die Sonne herein. Ann erklärte Letitia, wie das Gaslicht funktionierte. Man musste eine Düse aufdrehen und dann einen Schalter betätigen, der die Gasflamme entzündete.
    Letitia hätte nicht geglaubt, dass es solches Licht in Großbritannien noch gab. Ann deutete auch auf den Ofen.
    »Wenn dir kalt ist, werden wir heizen. Wir haben hier kein elektrisches Licht im ›Haus der sinkenden Sonne‹.«
    Das war ein romantischer und zugleich düsterer Name.
    »Gibt es Telefon?« fragte Letitia. »Nein. Wer von uns etwas will, soll uns schreiben oder uns aufsuchen. So haben die Morton-Frauen es immer gehalten.«
    »Habt ihr Radio und Fernsehen?« »Es gibt ein Radio im Haus, aber nur, um die Nachrichten zu hören, obwohl sie für uns nicht so ungeheuer interessant sind. Wir leben hier in unserer eigenen Welt.«
    »Aber es gibt doch hoffentlich ein WC und fließend Warm- und Kaltwasser?«
    »Ja, das haben wir. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Du findest das Bad nebenan, wenn du die Tür da öffnest. Ich lasse dich jetzt allein. Ist es dir recht, wenn ich dich in einer Dreiviertelstunde abholen lasse? Falls du irgendetwas brauchst, zieh an der Klingelschnur dort. Dann kommt jemand, ja?«
    »Gut, Mrs. Morton. Ich hätte nur gern vorher noch einen Tee.« Ann fasste Letitias Hände. »Aber Letty, ich bin doch deine Tante Ann. Du brauchst mich nicht Mrs. Morton zu nennen, ich bitte dich! Ich lasse dir den Tee sofort bringen. Bis bald.«
    Die schwergewichtige Frau befand sich in einer Hochstimmung, schaute noch einmal durch den Türspalt, kicherte, lächelte Letitia an und schloss die Tür endlich. Letitia ließ sich in einen Sessel sinken, strich eine Haarsträhne aus der Stirn und atmete auf froh, endlich einmal allein zu sein, ohne jemand mit den Namen Morton um sich herum.
    Da hatte sie schon eine merkwürdige Verwandtschaft. Die Warnung ihrer Mutter fiel ihr wieder ein. Aber jetzt, da sie einmal da war, wollte Letitia auch nicht gleich wieder abreisen. Sie hätte dafür keinen triftigen Grund angeben können. Sie beschloss, bis zum Ende der Woche zu bleiben und dann Anfang nächster nach London zurückzukehren.
    Schlimmstenfalls würde sie sich von ihrer Freundin Ellen, die auch bei ihrer Bank arbeitete, ein Telegramm schicken lassen, dass ihre Anwesenheit am Arbeitsplatz dringend erforderlich sei. Dagegen konnten ihre Verwandten nichts einwenden.
    Letitia schaute sich das Badezimmer
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