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Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)

Titel: Nachts auf der Hexeninsel (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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an und fing an, sich zu entkleiden. Von einer wechselnd heißen und kalten Dusche erhoffte sie sich Erfrischung.
    Es klopfte. Ein Dienstmädchen mit Häubchen und weißer Schürze brachte Letitia den gewünschten Tee. Letitia versuchte, dem Mädchen Fragen zu stellen. Doch das verstand nur Gälisch und verschwand so schnell es konnte.
     
    *
    Die dreizehn Morton-Frauen hatten sich um einen runden Tisch gesetzt. Helen Morton führte den Vorsitz. Mit Schmuck behängt, im schwarzen Kleid und mit einem schwarzen Schleier, saß sie in einem hochlehnigen Sessel. Die korpulente, große Ann befand sich ebenfalls unter den Frauen in dem verdunkelten Raum.
    In der Mitte des Tisches stand ein siebenarmiger Leuchter, in dem schwarze Kerzen brannten. Die Wände des achteckigen Raums waren düsterrot und mit merkwürdigen Zeichen versehen. Es gab an jeder Wand eine Nische, die jedoch alle von roten, schwarz und silbern gemusterten Vorhängen verschlossen waren.
    Gaslampen brannten mit schwacher Flamme. Man hörte leise das Zischen des Gases.
    »Sie ist es«, flüsterte Helen Morton. »Es gibt keinen Zweifel. Ich habe es gespürt, dass Marys Tochter die Voraussetzungen erfüllt.«
    »Was sollen wir tun?« fragte Ann.
    »Trefft die Vorbereitungen. Meine Kräfte schwinden mehr und mehr dahin. Letitia ist gerade noch rechtzeitig erschienen.«
     
    *
    Letitia hatte in ihrem Zimmer inzwischen geduscht und sich umgezogen. Sie lag auf dem Bett ausgestreckt, um sich ein wenig auszuruhen. Die lange Bahnfahrt war anstrengend gewesen.
    Sie hatte keine Ahnung, was in dem achteckigen Raum unten vor sich ging. Ihre Verwandten erschienen Letitia verschroben, doch sah sie in ihnen keine Gefahr. Im Morton-Clan herrschte ganz offensichtlich ein Matriarchat. Daran war nichts Verwerfliches. Es hatte Gesellschaftsformen gegeben, und es gab, wenn auch nicht häufig, immer noch welche, in denen die Frauen die führende Rolle spielten.
    Letitia dachte an London. Sie hatte keinen festen Freund dort zurückgelassen. Ihrer großen Liebe war sie bisher noch nicht begegnet. All ihre Bekanntschaften hatten sich früher oder später als enttäuschend erwiesen.
    Letitia setzte sich vor den Spiegel und bürstete ihr Haar. Danach öffnete sie ihre Schmuckschatulle. Gegen den Schmuck der alten Helen machte sich der von Letitias lächerlich einfach aus. Sie zog einen Ring an und holte das Kettchen mit dem geweihten silbernen Kreuz hervor, das ihre Mutter ihr zu ihrem vierzehnten Geburtstag geschenkt hatte.
    Nach kurzem Überlegen entschied sich Letitia jedoch für ein anders Schmuckstück. Sie ließ das Kettchen mit dem Kreuz achtlos auf der Frisierkommode liegen.
    Kurz darauf klopfte es. Letitia hörte Anns Stimme, und bat sie herein. Die korpulente Frau trat ein. Als sie hinter Letitia stand, roch Letitia einen scharfen, stechenden Dunst, der aus Anns Kleidern drang. Wo ist die denn gewesen? dachte Letitia.
    Sie fragte: »Wonach riechst du denn, Ann? Du hast Rauch in den Kleidern.«
    Ann schnupperte an ihrem dunklen Wollkleid.
    »So? Das ist mir gar nicht aufgefallen. Im Garten sind Abfälle verbrannt worden. Daher wird es wohl rühren. Bist du fertig fürs Dinner?«
    »Schon, aber wann soll ich auspacken?«
    »Ach, das findet sich schon! Teufel, was ist das denn?«
    Ann hatte das silberne Kreuz erblickt. Sie schnitt eine Grimasse. , »Ein Kreuz«, sagte Letitia befremdet. »Stört es dich denn?«
    »Nun, eigentlich nicht. Ist es geweiht?«
    »Ja.«
    »So. Na ja, jeder hat seinen Geschmack. Ich persönlich finde es unpassend, religiöse Symbole als Schmuck zu verwenden. Willst du es anlegen?«
    »Jetzt nicht. Warum?«
    »Es war nur so eine Frage.«
    Letitia begleitete Ann hinunter. Das Benehmen ihrer Tante erschien ihr seltsam. Ann war erschrocken beim Anblick des Kreuzes… Ann führte sie in einen großen, prunkvoll eingerichteten Raum mit schönen alten Möbeln, Parkettfußboden und einem Kristalllüster mit Gaslicht. In dem Raum vorm offenen Kamin, in dem ein Feuer brannte, waren zwanzig Frauen und vier Männer versammelt. Alle schienen Festtagskleidung zu tragen.
    Ein kaltes Büfett war aufgebaut. Zwei Dienstmädchen und ein junger Mann boten Getränke auf Tabletts an.
    Bei Letitias Eintritt klatschten alle, bis auf die Bediensteten. Letitia bekam rote Wangen. Sie fühlte sich geschmeichelt, wunderte sich aber, weil sie ihre Urgroßtante Helen nicht unter den Anwesenden entdeckte.
    Als sie Ann danach fragte, erhielt sie zur Antwort: »Helen ist erschöpft. Sie
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