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Nachtruf (German Edition)

Nachtruf (German Edition)

Titel: Nachtruf (German Edition)
Autoren: Leslie Tentler
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Krankenhauskleidung waren verräterische Blutflecke.

48. KAPITEL
    Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Rain hielt Trevors Hand, die sich kalt und reglos anfühlte.
    Der Chirurg hatte sie vorgewarnt. Trevor war an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden, damit seine verletzte Lunge leichter heilen konnte. Aber jetzt merkte sie, dass sie auf diesen Anblick alles andere als vorbereitet gewesen war. Ein Schlauch führte in seinen Mund und verband ihn mit den Apparaturen neben dem Bett. Das rhythmische Zischen des Beatmungsgeräts wurde vom Piepen des Herzmonitors begleitet. Rain fielen Trevors Worte wieder ein, als er ihr von den schweren Verletzungen erzählt hatte, die sein Vater ihm zugefügt hatte. Davon, wie sehr er sich erschrocken hatte, als er damals im Krankenhaus aufgewacht war und sich an einer Beatmungsmaschine wiedergefunden hatte, die ihn kontrollierte.
    Seine Brust war nackt, und ein weiterer Schlauch war zwischen seinen Rippen eingesetzt worden, um die Flüssigkeit, die sich in dem Raum um die Lunge herum angesammelt hatte, abzuleiten. Rain strich mit den Fingern über den hässlichen Bluterguss, der sich an der Stelle gebildet hatte, wo die schusssichere Weste die Kugel aufgehalten hatte. Das erste Mal, dass sie geglaubt hatte, Carteris hätte ihn getötet.
    Unzählige weitere Schläuche verbanden die Infusionen an einem Ständer neben dem Bett mit seinem Unterarm, andere führten unter die blaue Krankenhausbettdecke und in Beutel, die entlang des Bettgestells aufgehängt worden waren. Bei der Operation hatten die Ärzte seine verletzte Milz geflickt, ebenso wie den Riss in dem feinen Lungengewebe. Doch die größte Gefahr ging von dem hypovolämischen Schock aus, der durch den starken Blutverlust entstanden war. Selbst mit Transfusionen blieb Trevors Blutdruck niedrig, und Medikamente waren nötig, damit er stieg.
    Rain setzte sich in den Stuhl neben dem Bett und legte den Kopf auf die Bettdecke. Am liebsten wäre sie neben Trevor eingeschlafenund hätte den Lärm im Krankenhaus und den Geruch nach Antiseptika einfach vergessen. Aber auf der Intensivstation herrschte eine strenge Besuchsregelung. Alle zwei Stunden durften Familienangehörige den Patienten für fünfzehn Minuten besuchen. Eigentlich durfte sie gar nicht hier sein, doch Annabelle und Brian hatten darauf bestanden, dass sie als Erste hineinging.
    Rain blieb noch einige Minuten, dann erhob sie sich widerstrebend, um zu gehen. Sie gab Trevor einen Kuss auf die Stirn, drehte sich um und sah Brian draußen vor der Tür zur Intensivstation stehen. Als sie an ihm vorbeiging, drückte er leicht ihre Schulter.
    Im Wartebereich saßen Annabelle und Sawyer und unterhielten sich leise. Vertraulich hatte Sawyer seinen Arm auf die Sofalehne hinter Annabelles Kopf gelegt. Sobald sie merkten, dass sie nicht mehr allein waren, stand Sawyer auf und bot an, eine Runde Kaffee aus dem Automaten zu spendieren. Damit entschuldigte er sich und verschwand.
    „Wie sieht er aus?“, fragte Annabelle, nachdem Rain sich hingesetzt hatte.
    „Nicht gut. Ich weiß, dass sie uns darauf vorbereitet haben, aber …“
    „Er wird es schaffen.“ Annabelle klang überzeugt. „Ich schicke Brian nach Hause, damit er ein wenig schlafen kann. Du solltest auch gehen. Wenn sich etwas ändert, melde ich mich.“
    Rain schüttelte den Kopf. „Ich bleibe hier.“
    „Du hast selbst Schreckliches durchgemacht. Und nachdem Trevor die Operation überstanden hat – solltest du nicht auch einen Arzt aufsuchen?“
    Rains Handgelenk war geschwollen und schmerzte, doch das schien verglichen mit dem, was Trevor gerade erlebte, vollkommen belanglos.
    „Rain“, sagte Annabelle leise. „Hat dieser Mann dir wehgetan?“
    Angespannt starrte Rain auf den Teppich. Carteris hatte sie nicht vergewaltigt – auch wenn das, was er ihr angetan hatte,ein ähnliches Gefühl hinterließ. Ihr Magen verkrampfte sich bei der Erinnerung daran, wie das Skalpell in ihre Haut geschnitten hatte. Er hatte sie auf die Couch gedrückt und das Blut von der Wunde geleckt. Hatte er sich damit für die Nacht, die vor ihnen lag, frische Lebensenergie verschafft? Sie hatte diese Erinnerungen beiseitegeschoben, aber jetzt drang alles wieder an die Oberfläche. Carteris hatte vorgehabt, Desirees Todesnacht nachzustellen, und Rain wurde sich erst jetzt bewusst, wie dicht er davorgestanden hatte, sein Ziel zu erreichen.
    „Da gab es ein Zimmer … im hinteren Teil der Hütte“, begann sie. Sie musste über
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