Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtgespenster

Nachtgespenster

Titel: Nachtgespenster
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
müssen. Und jetzt haben wir etwas getan.«
    »Da hast du recht«, gab sie flüsternd zu. Gleichzeitig schlössen sich ihre Finger um das Kreuz. Es sah aus, als wollte sie es nie mehr hergeben. »Ich gehe das Risiko ein. Ich werde es behalten, und ich werde es sogar umhängen und es dort lassen, wenn die Dämmerung eintritt und ich das andere Dasein spüre, das in mir hochsteigen will. Dann bin ich gespannt.«
    Ich half ihr sogar dabei, die Kette über den Kopf zu streifen. Dann lächelte ich in ihr Gesicht, ohne dieses Lächeln erwidert zu bekommen. Doreen bewegte sich von mir weg. Sie schaute dabei nach unten gegen das Kreuz. Es schwang bei jedem ihrer Schritte hin und her wie ein silbernes Pendel.
    Noch hatte ich nicht viel von dem alten Schloß gesehen. Ich gehörte zu den Menschen, die immer alles genau wissen wollten und fragte Doreen deshalb, ob es ihr etwas ausmachte, mich durch das Schloß zu führen, so lange es noch Zeit war.
    »Was willst du denn sehen, John?«
    »Andere Frage. Was gibt es denn zu sehen?«
    Sie stand da und hob die Arme. »Nichts, gar nichts. Die Räume sind leer. Hier lebt niemand mehr, abgesehen von mir, wobei ich in diesen bestimmten Intervallen nicht freiwillig hier bin, das steht fest.«
    »Und der Keller?«
    »Dort liegt meine Mutter.«
    »Kann ich sie sehen?«
    »Willst du das denn?«
    »Ja. Es ist möglich, daß wir auch deinen Vater finden. Er soll sich dort unten doch tagsüber versteckt halten.«
    »Da habe ich schon öfter nachgeschaut«, sagte sie. »Aber ich konnte nichts finden.«
    »Weißt du denn, wo die Verliese sind?«
    »Nein, nicht alle.«
    »Ich möchte trotzdem nach unten, so lange wir noch die nötige Zeit haben.«
    Doreen nickte. Danach ging sie auf die Kellertür zu.
    Licht gab es auf dieser Welt nicht. Selbst Kerzen waren nicht mehr vorhanden. So waren wir froh, uns im Strahl meiner kleinen Leuchte orientieren zu können.
    Das starre, helle Band zerschnitt die Finsternis wie eine gelbweiße, straffgespannte Schnur. Es hatte die alte Treppe angeleuchtet und strahlte schließlich in den Raum hinein, der als Grabkammer für Doreens Mutter diente.
    Der Geruch war schlimm.
    Da lagen die mehr oder weniger verwelkten Blumen auf dem Boden und bildeten schon einen stinkenden Kompost. In diesen Geruch hinein mischte sich der atemberaubende Verwesungsgestank. Ich fragte mich, wie Doreen es hier hatte aushalten können.
    Doreen bewegte sich von mir weg, um den Leuchter mit den drei erloschenen Kerzen aufzuheben. Sie stellte ihn hin und holte aus ihrer Westentasche ein Feuerzeug hervor. Nachdem die drei Dochte brannten, trug sie den Kerzenständer vor sich her und ging auf das Kopfende des mit Blumen übersäten Sarges zu.
    Ich hatte meine Lampe wieder verschwinden lassen. Das Licht erzeugte eine gewisse Unruhe, die sich flackernd innerhalb des Verlieses ausbreitete.
    Totenlicht…
    Es paßte zu der Szenerie. Ebenfalls starr war Doreen neben dem Sarg stehengeblieben. Den Kopf hielt sie gesenkt. Sie schaute in die Lücke zwischen den Blumen, in der sich das Gesicht ihrer toten Mutter abmalte.
    »Sie hieß Rose«, sagte Doreen flüsternd. »So ein wunderschöner Name. Und sie ist auch wie eine Rose gewesen. Wir beide haben uns sehr gut verstanden.«
    »Wann starb sie?« fragte ich. »Vor ein paar Monaten erst.«
    Ich war überrascht. »So lange hat sie noch gelebt?«
    »Ja, immer. Wir lebten zusammen. Von meinem Vater hörte ich nicht viel. Mutter sprach nie darüber. Dann aber tauchte er auf, um mir zu erklären, wer ich war. Er hat dabei immer gelacht. Ich bin zusammengesackt. Ich konnte es nicht glauben und bat meine Mutter, mir zu sagen, daß alles nicht stimmt. Sie konnte es nicht tun. Es war alles wahr, und dann starb sie.«
    »Wurde sie umgebracht?«
    »Nein, nein!« erwiderte Doreen mit zitternder Stimme. »Sie starb einfach so. Am gebrochenen Herzen, sagt man hin und wieder. Das Erscheinen ihres Mannes muß einfach zu viel für sie gewesen sein. Von dem Tag an war ich praktisch mit meinem Vater allein, und es ist wirklich grauenhaft geworden.« Sie drehte mir den Kopf zu. Das unruhige Licht hatte ihre Züge verzerrt. »Das hat er nur gewollt. Er hat mir öfter gesagt, daß es nur auf mich ankäme.«
    Meine Gedanken bewegten sich in eine ganz andere Richtung. »Wie konnte er euch besuchen, wenn er doch hier auf der alten Burg gefangengehalten wird?«
    »Das weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich wurde er freigelassen, damit er selbst seine Zukunft richten kann. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher