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Nachtgespenster

Nachtgespenster

Titel: Nachtgespenster
Autoren: Jason Dark
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es.«
    »Wie gut, Mrs. Helder? Und wann ist das gewesen?«
    »Vor langer Zeit. Da waren wir beide noch jung, sehr jung. Ihr Vater war auch ledig. Zu Studentenzeiten haben wir uns kennengelernt, und wir waren befreundet.«
    »Nur? Oder…«
    Ich hörte ein etwas verlegen klingendes Lachen. »Sie können das ›oder‹ ruhig hinzufügen.« Dann seufzte die Anruferin. »Vielleicht wären wir sogar für immer zusammengeblieben, wenn ich nicht mein Studium hätte abbrechen müssen, um nach Haus zu kommen, wo meine Eltern auf mich warteten. Mein Vater ist damals verunglückt. Er war nicht tot, aber so schwer verletzt, daß er sich Zeit seines Lebens davon nicht erholt hat. Wir wohnten damals in Blackpool, direkt an der Küste. Dort betrieben meine Eltern einen Gewürzhandel, und ich mußte in die kleine Firma einsteigen. Das war damals. Heute ist die Firma längst von einem größeren Unternehmen geschluckt worden, aber ich möchte nicht klagen, auch wenn ich jetzt wieder allein bin, denn ich habe vor zwei Jahren meinen Mann verloren, und unsere Ehe ist leider kinderlos geblieben.« Sie seufzte. »Aber was erzähle ich Ihnen da, Mr. Sinclair, ich schweife nur ab.«
    »Nein, nein, so dürfen Sie das nicht sehen, Mrs. Helder, ich höre schon gespannt zu.«
    Sie mußte sich räuspern. »Und nun steht die Vergangenheit wieder vor mir«, gab sie zu. »Als ich vom Tod Ihres Vaters erfuhr, war ich zunächst mal geschockt. Der berühmte Tritt in den Magen, wie Sie bestimmt verstehen können. Ich dachte mir, es mal zu versuchen. Das heißt, ich habe herausgefunden, daß Horace F. einen Sohn hat, der in London lebt. Nun, jetzt spreche ich mit Ihnen, Mr. Sinclair, und ich möchte Ihnen sagen, daß es mir leid um Ihre Eltern tut. Ich möchte mit meinem Anruf auf keinen Fall kaum verheilte Wunden aufreißen, aber gewisse Dinge im Leben müssen einfach ausgesprochen werden.«
    »Da haben Sie recht, Mrs. Helder. Wie lange kannten Sie meinen Vater denn?«
    »Einige Monate, fast ein Jahr waren wir zusammen. Später haben wir uns dann noch geschrieben. Das schlief allerdings ein. Unsere Wege waren zu verschieden.«
    »Das ist eine relativ lange oder auch kurze Zeit«, sagte ich. »Da kommt es ganz auf den Blickwinkel an.«
    »Sie sagen es.«
    Während des Gesprächs hatte sich in meinem Kopf etwas aufgebaut. Es war ein erster nebulöser Plan. Dessen Basis hing zwar mit dem Tod meines Vaters zusammen, aber die Vergangenheit war in diesem Fall wichtiger. Mein Vater hatte zeitlebens ein Geheimnis mit sich herumgetragen, über das selbst meine Mutter nicht eingeweiht worden war. Es war um die Sekte des äthiopischen Königs Lalibela gegangen, bei der mein Vater Mitglied gewesen war. Selbst ich hatte nichts davon gewußt und erst nach seinem Tod davon erfahren. Noch jetzt erinnerte ich mich voller Schaudern daran, daß sich die Augen meines toten Vaters verfärbt hatten. Damals war ich tief erschüttert worden. Ich war später versucht gewesen, dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, was mir leider nicht gelungen war. Aus Zeitgründen nicht, denn andere Fälle hatten mich zu sehr in Anspruch genommen.
    Allerdings war mir bekannt, daß mein Vater dieser Sekte oder Vereinigung schon in frühen Jahren beigetreten war. Als junger Erwachsener gewissermaßen. Nur wußte ich über diese Zeit einfach zu wenig, und mit meiner Mutter konnte ich darüber auch nicht mehr sprechen.
    Aber mit Janine Helder?
    Es bot sich mir plötzlich eine Chance, Licht in das Dunkel der Vergangenheit meines Vaters zu bringen, und das war ein Ansatzpunkt, den ich mir nicht entgehen lassen wollte. Vielleicht konnte mir Janine Helder dabei weiterhelfen, doch nicht am Telefon.
    »Ja, Mr. Sinclair, das hatte ich Ihnen eigentlich mitteilen wollen. Ich entschuldige mich noch einmal für diese Störung und möchte auch keine frisch verheilten Wunden aufgerissen haben, so daß…«
    »Ich bitte Sie, Mrs. Helder. Nein, das haben Sie auf keinen Fall. Ich bin ja froh, daß Sie mich angerufen haben.«
    »Ach!« staunte sie. »Tatsächlich?«
    »Ja, Mrs. Helder. Sie haben mir praktisch ein Tor geöffnet, um es sinnbildlich zu sagen.«
    »Das müssen Sie mir aber erklären.«
    »Gern.« Ich schlug ein Bein über das andere. »Sie wohnen in Claughton, sagten Sie?«
    »Genau. Es ist ein kleiner, ruhiger und schon beinahe romantischer Ort in Lancashire.«
    Auch wenn sich meine Frage spontan anhörte, sie war es nicht. Ich hatte zuvor schon nachgedacht. »Darf ich Sie in Claughton besuchen, Mrs.
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