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Nachtgespenster

Nachtgespenster

Titel: Nachtgespenster
Autoren: Jason Dark
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sich über diese Antwort gewundert oder amüsiert. Ich war da in einer anderen Situation, und die wiederum hing einfach mit meinem Beruf zusammen.
    »Wer hat dich verflucht?«
    »Mein Schicksal, John.«
    Diesmal schüttelte ich den Kopf. »Es tut mir leid, Doreen aber das ist mir zu wenig. Es klingt mir wirklich zu sehr nach einer großen Ausrede.«
    »Es ist die Wahrheit. Das Schicksal hat mich verflucht.« Ihre Augen nahmen einen noch traurigeren Ausdruck an. »Ich weiß nicht, zu welcher Seite ich gehöre. Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als durch mein Leben zu irren. Es ist wie eine Zickzack-Fahrt, die ständig anhält. Ich bin nie einen geraden und direkten Weg gegangen wie andere. Ich lebe, aber ich bin tot.« Es sah so aus, als wollte sie mich anfassen, doch sie zog die Hände wieder zurück. »Verstehst du das, John?«
    »Nein, das ist mir zu hoch.«
    »Gut, aber du hast meine Bitte verstanden?«
    »Ja, du willst erlöst werden.«
    »Sehr schön, John. Du bist es, und deshalb möchte ich dich bitten, mich zu töten…«
    ***
    Verflucht zu sein, erlöst zu werden - das hatte ich alles hingenommen. Da war ich auch damit einverstanden gewesen, nur konnte ich mit dem letzten, so radikalen und endgültigen Wunsch auf keinen Fall etwas anfangen. Doreen aber war es ernst, todernst sogar, wenn ich ihren Blick richtig deutete.
    Es war mehr eine Aufforderung an mich. Er wollte mich locken und lotsen, aber ich blieb stur. Als Doreen mein Kopfschütteln sah, nahm ihr Gesicht wieder einen traurigen Ausdruck an. »Du kannst dir eine Antwort sparen, John.«
    »Wieso?«
    »Weil ich dir ansehe, daß du mich nicht töten willst«, erwiderte sie seufzend und senkte den Kopf. Sie wirkte wie eine Frau, die anfangen wollte, Tränen zu vergießen, doch sie riß sich zusammen und hob den Kopf wieder an. Ihre zusammengedrückten Lippen zeigten ein gepreßtes Lächeln.
    »Da hast du recht, Doreen.«
    »Menschen sind manchmal seltsam. Die haben Ohren, um zu hören, Nasen, um zu riechen, und auch Augen um zu sehen. Aber sie blicken trotzdem nicht durch, auch du nicht, John, und das macht mich noch trauriger.«
    »Deine Philosophie stimmt. Aber es ist schon viel, was du von mir verlangst. Ich kann dich nicht so einfach töten. Sorry…«
    Sie ließ sich die Antwort durch den Kopf gehen und sagte nach einer Weile: »Aber du würdest es tun, wenn ich ein Monster wäre - nicht wahr?«
    Damit hatte sie mich wieder überrascht. Jeder Satz aus ihrem Mund kam mir seltsam vor, als wäre er ihr von einer Person auf die Zunge gelegt worden. »Nein, Doreen«, sagte ich zu ihr, als stünde ein Kind vor mir. »Du bist alles, nur kein Monster. Du bist eine junge und schöne Frau. Weshalb bezeichnest du dich als Monster?«
    »Ich bin es.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Abermals blickte sie mich ernst an. Die Falten auf ihrer Stirn vertieften sich. Dann hob sie den Blick hoch zu der schwirrenden Wolke aus Fledermäusen.
    »Liebst du diese Tiere?« fragte ich.
    »Vielleicht.«
    »Wo kommen sie her?«
    »Sie haben mich begleitet.«
    »Und wo lebst du? Bestimmt nicht hier im Wald. Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Nein. Ich lebe auf La Monte Castle.«
    Das kannte ich zwar nicht, doch ich erinnerte mich daran, eine Burg gesehen zu haben, kurz bevor ich das letzte Waldstück erreichte. Da konnte sie durchaus leben, denn es war eine Burg gewesen und keine verfallene Ruine.
    Bevor ich allerdings nachfragen konnte, drehte sich Doreen um und wies auf die Oberfläche des Teiches.
    »Schau hin!« sagte sie.
    Ich trat dicht an sie heran und blieb unbeweglich stehen. Auf der Oberfläche lag ein leichter Glanz. Das Licht konnte durchaus vom Mond stammen, der sich hoch über den Bäumen am Himmel so konturenscharf abzeichnete.
    »Was siehst du, John?«
    »Wasser. Ruhiges Wasser, das einen leichten Glanz bekommen hat, durch den die Schatten der Fledermäuse tanzen. Aber ich sehe keine Wellen auf der Fläche.«
    »Mehr siehst du nicht?«
    »Nein.«
    Sie ließ nicht locker. »Schau bitte genau hin, John. Tu uns den Gefallen.«
    »Ja, gern.« Ich hob die Schultern. »Aber leider bleibt es dabei.«
    Wieder vernahm ich ihr Seufzen. Diesmal allerdings hörte es sich unwilliger an. »Dabei malt sich dein Schatten doch genauer ab, wenn du dich konzentrierst.«
    Das war auch nötig. Denn ich mußte sehr genau hinsehen, um meinen eigenen Schatten zu erkennen, der eigentlich nicht mehr als ein Schemen war und auch nicht seine gesamte Länge erreichte, sondern noch
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