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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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eine Weile bei Papa wohnen. Natürlich werde ich öfter bei euch vorbeikommen.»
    Laura hatte es die Sprache verschlagen und für kurze Zeit eine Art Realitätsverlust ausgelöst. Jetzt war sie wieder da, trotz der weichen Knie. Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte, hatte nur wirre Gedanken, die zwischen Vernunft, Protest, Verzweiflung und Verständnis umherrasten.
    Luca war immerhin siebzehn, längst konnte er seinen Aufenthaltsort selbst wählen, konnte entscheiden, ob er bei Vater oder Mutter leben wollte. Sie kannte das Gesetz. Schon seit einiger Zeit war er auf dem Weg. Wohin? Vor allem zu seiner Freundin. Aber das war nur Spiel gewesen. Innerlich war er schon länger unterwegs, raus ins eigene Leben. Gut so … hatte sie bisher gedacht.
    Aber plötzlich ging es zu schnell. Er war noch nicht einmal mit der Schule fertig. Sie selbst hatte nie daran gezweifelt, dass er wenigstens bis zum Abitur bei ihr und Sofia bleiben würde. Trotz all der Anzeichen von Selbständigkeit. Noch knapp zwei Jahre, hatte sie gedacht. Und sie hatte sich vorgenommen, diese zwei Jahre besonders intensiv zu erleben.
    Ronald, ihr Exmann, hatte nie auch nur angedeutet, dass er die Kinder auf Dauer übernehmen wollte. Selbst Luca hatte immer wieder gesagt, sein Vater sei zwar nett, aber ziemlich unzuverlässig. Wie kam er plötzlich auf die absurde Idee, zu ihm zu ziehen?
    «Warum sagst du denn nichts?» Lucas Stimme klang jetzt ärgerlich und ein bisschen verzweifelt.
    «Weil … weil ich überrascht bin. Das bedeutet eine große Veränderung, Luca.»
    «Ich hab doch gesagt, dass ich trotzdem oft herkomme!»
    «Ist schon okay. Aber könntest du mir ein bisschen Zeit geben, das zu verdauen?»
    «Findest du es nicht normal, dass ich auch mal mit meinem Vater leben will? Es ist doch normal! Er ist genauso wichtig für mich wie du!»
    Laura beobachtete, wie sich die knusprige braune Haut des Hähnchens zusammenzog und faltig wurde. «Wir sollten essen», murmelte sie.
    «Ach, verdammt! Ich hab es gewusst! Deshalb hab ich bisher nichts gesagt! Ich wusste, dass du es nicht aushältst!» Luca stieß sich von der Balkontür ab und stand mit geballten Fäusten vor Laura, Tränen in den Augen. Oder irrte sie sich? Langsam löste sie ihren Blick vom Huhn und stellte sich ihrem Sohn.
    «Ich halte es aus, Luca. Es tut weh, aber ich halte es aus. Wann willst du umziehen?»
    «Tu doch nicht so heldenhaft! Mir fällt’s ja auch schwer. Aber es ist wichtig für mich!» Jetzt klang er trotzig.
    «Ich fühl mich überhaupt nicht heldenhaft, Luca. Eher so, als würde die Zeit mich überholen und als hätte ich etwas Wichtiges übersehen. Komisches Gefühl.» Laura versuchte ein Lächeln, ließ es aber sofort, denn sie brachte nur eine Grimasse zustande.
    «Ach, Mama …» Er streckte die Arme nach ihr aus. Laura wich ihm aus.
    «Mach das jetzt nicht, Luca! Ich will nicht die Fassung verlieren!»
    Als sie Sofias Schritte auf dem Flur hörten, wandten sie sich gleichzeitig von der Küchentür ab und senkten die Köpfe.
    «Hab ich Hunger! Es riecht so gut. He, Luca, warum hast du den Tisch noch nicht gedeckt?» Sofia öffnete den blaulackierten Küchenschrank, nahm drei Teller heraus und knallte sie auf den Tisch. Dann hielt sie inne und atmete so hörbar ein, als prüfe sie die Luft wie ein sicherndes Tier.
    «Is’ was?»
    «Nein, was soll denn sein?» Laura schob die Kasserolle mit dem Huhn wieder ins Bratrohr und schaltete den Grill ein, um die knusprige Haut zu retten.
    «Na ja, hier knistert’s irgendwie. Habt ihr gestritten?»
    Laura schüttelte den Kopf, füllte eine Schüssel mit gedünsteten grünen Bohnen und eine zweite mit Polenta.
    «Hier knistert überhaupt nichts!»
    «Na, dann!» Mit einer Kopfbewegung warf Sofia ihr langes dunkles Haar zurück und zuckte die Achseln. «Ich hab jedenfalls Hunger und will jetzt essen! Kannst du vielleicht mal helfen, Luca? Zum Essen braucht man Besteck und zum Trinken Gläser!»
    Schweigend löste sich Luca von der Balkontür und begann damit, die fehlenden Utensilien auf den Esstisch zu legen. Laura hoffte inständig, dass Sofia ab sofort den Mund halten würde, denn sie kannte die Fähigkeit ihrer Tochter, den Bruder zur Weißglut zu bringen, wenn sie gerade dazu aufgelegt war. Und Sofia hielt den Mund, als ahnte sie, dass Mutter und Bruder auf Sticheleien im Moment überempfindlich reagieren würden.
    Kurz darauf saßen sie am Tisch, Laura zerteilte das Huhn, sie wünschten sich gegenseitig guten
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