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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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und spürte das heftige Pochen ihres Blutes. Sie musste ruhig bleiben. Ruhig und überlegen.
    Sie brauchte einen Übersetzer – aber das war ein Mensch zu viel, einer, der versucht sein könnte, sich einen Batzen Geld zu verdienen. Ihr Deutsch war nicht gut, reichte gerade, um Kaffee zu bestellen. Sie müsste es mit Englisch versuchen, doch lieber wäre es ihr, diese heikle Angelegenheit in ihrer Muttersprache Italienisch zu erklären. Jedes einzelne Wort zählte. Nichts durfte schiefgehen.
    Sie hoffte, einen Mann als Gegenüber zu bekommen; Männer wusste sie ganz gut zu lenken. Obwohl sie sich dessen inzwischen auch nicht mehr sicher war. Trotzdem könnte sie vielleicht eher auf die Solidarität einer Frau bauen. In ihrem speziellen Fall.
    Sie fühlte sich zittrig. Das Risiko war so hoch. Ihre gesamte Existenz stand auf dem Spiel. Niemals würde Ricardo ihr einen Skandal verzeihen. Männer konnten sich in Italien bestimmte Skandale leisten – jedenfalls, wenn diese bewiesen, dass sie echte Männer waren. Es gehörte quasi zum guten Ton. Frauen konnten das nicht. Ganz besonders nicht als Ehefrauen von Männern, die in der Öffentlichkeit standen.
    Plötzlich erschien Donatella Cipriani der eigene Plan völlig dilettantisch, geradezu lächerlich. Er konnte gar nicht funktionieren. Sie hatte sich nur selbst beruhigt mit diesem Plan. Es gab keinen Ausweg. Sie würde mit Ricardo reden müssen, und er würde sich blitzschnell von ihr trennen. Seine Fähigkeit, Abstand von gefährlichen Situationen zu halten, war berühmt. Er würde sie genauso fallenlassen, wie er andere hatte fallenlassen. Sie konnte sogar den Ausdruck seiner Augen vor sich sehen, dieses langsame Erkalten, dieses innerliche Zurücktreten, vor dem sich sogar seine engsten Mitarbeiter fürchteten.
    Donatella umklammerte einen der eisernen Gitterstäbe und versuchte ruhig zu atmen. Sie musste hinein in diesen hellen Hof mit all seinen Scheinwerfern. Es gab keinen anderen Weg. Noch einmal schaute sie sich sorgfältig um. Niemand war zu sehen. Sie hatte es geschafft, jeden möglichen Verfolger abzuschütteln und in die Irre zu führen. Immerhin das. Entschlossen ging sie auf die wachhabenden Beamten zu.
    «Ich muss sprechen mit Commissario!», sagte sie und war erstaunt, wie fest ihre Stimme klang. «I have to talk to an inspector, please!»
     
    Zwei, drei Sekunden lang war sich Laura Gottberg nicht sicher, ob dies wirklich ihre eigene Küche sein konnte, ob es tatsächlich die vertrauten blauen Schränke waren, die sie selbst lackiert hatte, ob sie gerade ein duftendes Hühnchen aus dem Bratrohr genommen hatte, das in einer Soße aus Tomaten, schwarzen Oliven und Sardellen schwamm. Sie verharrte einfach, erstarrte in der Mitte dieser möglicherweise fremden Küche, hielt die Kasserolle mit dem Braten vor sich und versuchte zu begreifen, was ihr Sohn Luca gerade gesagt hatte.
    Nur zwei, drei Sekunden lang, als hätte jemand ihren Lebensfilm angehalten. Dann stellte sie die Kasserolle auf dem Herd ab und drehte sich langsam zu Luca um.
    Sie sah nur seinen Rücken. Mit einer Schulter lehnte er an der Balkontür, hatte beide Hände in den Hosentaschen vergraben und starrte in die Dunkelheit hinaus. Er war sehr groß und wirkte trotz des weiten Pullovers überschlank und schlaksig. Jetzt stieß er mit seinem rechten Turnschuh an die Balkontür und presste seine Stirn an die Scheibe.
    «Es hat doch gar nichts mit dir zu tun!» Seine Stimme klang belegt, und er räusperte sich lange.
    Laura nahm jetzt ihre Knie wahr, spürte eine ungewöhnliche Schwäche in ihren Beinen, die Füße waren irgendwie nicht da, wo sie hingehörten.
    «Nein», murmelte sie und stützte sich mit beiden Händen auf der Anrichte ab.
    «Es hat wirklich nichts mit dir zu tun, Mama!» Jetzt war seine Stimme lauter, als müsse er sich selbst davon überzeugen. Noch immer redete er mit der Balkontür, der Dunkelheit draußen und vielleicht mit ihrem Spiegelbild in der großen Glasscheibe. Er hatte sie die ganze Zeit beobachtet, obwohl er ihr den Rücken zuwandte. Auch das wurde Laura erst in diesem Augenblick bewusst.
    Dabei hatte sich bis vor wenigen Minuten das Leben ganz wohlig angefühlt. Ein freier Tag lag hinter ihr, sie hatte mit Lust das Abendessen zubereitet und sich auf das gemeinsame Mahl mit Luca und Sofia gefreut. Später wollte sie ins Präsidium fahren und Papierkram aufarbeiten, Bereitschaftsdienst hatte sie ohnehin.
    Was hatte Luca gesagt? Ohne Vorwarnung!
    «Ich möchte
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