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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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zweifle nicht daran. Aber wenn sie ein Bruder wäre, würdest du vielleicht nicht ausziehen. Zwei Frauen, ein Mann. Nicht einfach, was? Und deshalb bin ich auch nicht sauer! Alles klar?»
    «Ja, nein, vielleicht. Ich hab keine Lust mehr, darüber zu reden!»
    «Okay, ich muss sowieso bald zur Arbeit. Danke, dass du die Küche aufräumst.»
    Luca füllte die Töpfe mit Wasser, räumte Teller und Besteck in die Spülmaschine.
    «Es hat übrigens sehr gut geschmeckt», sagte er nach einer Weile.
    «Danke.»
    «Tut mir leid, dass ich das Abendessen versaut habe.»
    «Jetzt fängst
du
wieder an. Vergiss es! Ich bin froh, dass du es gesagt hast.»
    «Willst du nicht doch mit Sofi reden, Mama?»
    Laura schüttelte den Kopf.
    «Ich werde jetzt ins Dezernat fahren, und ich nehme an, dass Sofia durchaus mit dir reden wird, wenn ich weg bin.» Damit verließ Laura die Küche, blieb kurz vor der verschlossenen Tür zum Zimmer ihrer Tochter stehen und malte ein Herz in die Luft. Dann verbrachte sie fünf Minuten im Bad und betrachtete sich nachdenklich im Spiegel.
    «Du hast es gewusst!», murmelte sie. «Du hast es sogar geübt: das Loslassen. Aber es hat fast nichts geholfen, was? Jetzt, wo es passiert!»
    Sie schnitt sich selbst eine Grimasse, frischte dann ihr Make-up auf, kämmte ihr Haar und freute sich fast auf den Nachtdienst.

«WIR WOLLTEN Sie gerade anrufen, Frau Gottberg!» Dem jungen Polizisten in der Eingangshalle des Präsidiums war die Erleichterung anzusehen. «Gut, dass Sie heute Dienst haben.»
    «Was ist los?» Laura stopfte den Autoschlüssel in die Seitentasche ihres kleinen Rucksacks.
    Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung wies der Polizist in Richtung der kunstledernen Sessel, die an der Wand aufgereiht standen wie im Wartezimmer eines Arztes. Lauras Blick folgte seiner Bewegung, wanderte kurz über die Frau, deren Haar und Gesicht von einem breiten schimmernden Schal verhüllt waren, über die eleganten hohen Stiefel, den weich fließenden schwarzen Mantel.
    «Die Frau da», sagte er leise, «die will nur mit jemandem reden, der entweder sehr gut Englisch kann oder sehr gut Italienisch. Und sie will keinen Dolmetscher.»
    «Und?»
    «Die Kollegen vom Dienst behaupten alle, dass ihr Englisch nicht b’sonders gut ist. Italienisch kann überhaupt keiner. Deshalb wollt’ ich Sie g’rad anrufen.»
    «Worum geht’s denn? Hat sie irgendwas gesagt?»
    «Nein. Sie will nur mit einem
Commissario
reden, sonst geht sie wieder. Hat sie gesagt.»
    «Auf Deutsch oder auf Englisch?»
    «Gemischt.» Der junge Kollege rückte seinen Gürtel zurecht und runzelte verlegen die Stirn, während Laura ein Lächeln unterdrückte.
    «Na gut, ich werd mit ihr reden. Wie lange wartet sie schon?»
    «Seit einer halben Stunde.»
    «Habt ihr sie kontrolliert?»
    «Selbstverständlich, Frau Hauptkommissarin. Sie hat einen gültigen italienischen Reisepass und keine Bombe in der Tasche.» Er grinste.
    «Okay, ich nehme sie rauf in mein Büro. Ruhiger Abend?»
    «Bis jetzt schon.»
    Laura nickte und trat langsam auf die Frau zu, die sehr aufrecht saß und die Arme verschränkt hatte. Nur ihre Augen waren sichtbar. Sehr dunkle, wachsame Augen, kräftig umrahmt mit schwarzem Kajalstift.
    «Buona sera, Signora …», sagte Laura und betonte die Lücke nach Signora. Erst als die Frau diese Aufforderung, ihren Namen zu nennen, überging, stellte sich Laura als Commissaria Gottberg vor. «Wie kann ich Ihnen helfen?»
    Die Frau stand schnell auf und trat sehr nahe an Laura heran. «Das wird sich herausstellen», erwiderte sie leise. «Können wir hier irgendwo ungestört reden? Ohne Zeugen, ohne abgehört zu werden?»
    «In meinem Büro. Hier wird übrigens nur in besonderen Fällen abgehört, Signora. Die Dinge liegen bei uns noch etwas anders als in Italien. Kommen Sie.»
    Unversehens verrutschte der seidene Schal der Unbekannten, gab für einen winzigen Augenblick ihren Mund frei, der fein geschwungen, aber ein bisschen zu klein und zu schmal war. Falls sie Lippenstift benutzte, dann eine so dezente Farbe, dass er nicht auffiel. Blitzschnell zog sie den Schal wieder vors Gesicht, wie einen Vorhang, der Einblick in ein Fenster verwehrt, und griff nach ihrer Handtasche.
    Laura beschloss, den Aufzug zu nehmen; die kleine Kabine würde sie zumindest körperlich einander nahe bringen. Gemeinsam für eine kurze Zeit eingesperrt zu sein war manchmal hilfreich. Platzangst zeigte sich schnell, entlud sich bei manchem in einem Redeschwall, bei
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