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Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall

Titel: Nachtgefieder • Laura Gottbergs siebter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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anderen in Schweißausbrüchen. Jede Art von Nervosität oder Unsicherheit wurde spürbar.
    Doch die verhüllte Signora stand neben Laura in der Aufzugkabine, ohne zu schwitzen, ohne zu sprechen, schien auch nicht sonderlich nervös zu sein. Ihr Parfüm duftete frisch, nicht zu schwer, und sie musterte Laura so unverhohlen, dass diese es war, die sich unbehaglich fühlte. Nur mühsam widerstand Laura dem Impuls, Fragen zu stellen, um diesem bohrenden Blick auszuweichen. Als sie endlich den dritten Stock erreicht hatten, stieß sie erleichtert die Fahrstuhltür auf.
    Sie ging voraus, vorbei an den nur durch Glasscheiben voneinander getrennten Büros, in denen hier und da ein Kollege am Schreibtisch saß. Schon nach zehn, und es war wirklich ein ruhiger Abend.
    Nicht für mich, dachte Laura. Mir reicht schon Lucas neuer Lebensplan. Die geheimnisvolle Signora hätte ich nicht auch noch gebraucht.
    Als sie die Tür zu ihrem eigenen Büro aufschloss, spürte sie – wie so oft – eine Art Triumphgefühl. Sie verteidigte diesen kleinen Raum mit seinen undurchsichtigen Wänden und dem Blick auf die Türme der Frauenkirche noch immer erfolgreich gegen alle Versuche ihrer Vorgesetzten, sie ebenfalls in eines der Aquarien auf der anderen Seite des Flurs zu versetzen.
    «Bitte, nehmen Sie Platz.» Laura wies auf die Sitzgruppe am Fenster, zog ihre Lammfelljacke aus und hängte sie an den Garderobenständer neben der Tür. «Möchten Sie auch ablegen?»
    Die Frau schüttelte den Kopf, blieb am Fenster stehen und betrachtete den mächtigen gotischen Dom mit seinen so ungewöhnlichen, runden Türmen.
    «Allora!», sagte sie endlich und drehte sich zu Laura um. «Ich möchte mich nicht setzen. Bevor ich mit Ihnen reden kann, müssen wir einiges klarstellen. Falls ich Ihnen mein Anliegen schildere, muss darüber absolutes Stillschweigen vereinbart werden. Verstehen Sie mich?» Noch immer verhüllte sie die untere Hälfte ihres Gesichts.
    «Sind Sie Muslima?» Der fordernde Ton der Frau machte Laura angriffslustig – auch das war mit Sicherheit eine Folge von Lucas Eröffnung.
    «Ach, hören Sie auf! Solange Sie mir nicht versprechen, dass Sie kein Wort nach außen dringen lassen, so lange bin ich eben Muslima! Gar keine schlechte Idee!»
    Ziemlich gut pariert, dachte Laura und wurde allmählich neugierig. «Bene!», sagte sie laut, «Sie haben gewonnen. Ich verspreche Ihnen, dass ich Stillschweigen bewahre, aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich für Ihr Problem zuständig bin. Zwar bin ich Kriminalhauptkommissarin, aber ich arbeite im Morddezernat. Handelt es sich um Mord, Signora?»
    Die Frau schloss kurz die Augen und atmete tief ein. «Nein, es handelt sich nicht um Mord. Höchstens im übertragenen Sinn. Vielleicht reicht es auch, wenn Sie mir einen Rat geben. Ich bin dringend auf guten Rat angewiesen, und außer Ihnen habe ich niemanden, an den ich mich wenden könnte.» Sie zog den Schal so unerwartet vom Gesicht, dass es Laura vorkam wie eine geplante Inszenierung in einem Theaterstück. Die Signora war eine hübsche Frau. Die stark geschminkten Augen erinnerten Laura an eine Katze, das dunkelblonde Haar fiel ihr in einer eleganten Welle halb in die Stirn. Sie strahlte etwas Mädchenhaftes aus, und gleichzeitig lag um ihren Mund eine gewisse Härte.
    Mitte vierzig oder ein bisschen älter, gefärbtes Haar, dachte Laura. Oberschicht, Norditalienerin.
    «Möchten Sie einen Kaffee, ein Glas Wasser?»
    «Nein, danke. Warum sprechen Sie so gut Italienisch?» Auch ihre Stimme klang auf einmal mädchenhaft, sehr hell und ein bisschen vorwurfsvoll.
    «Weil meine Mutter aus Florenz stammt.»
    «Haben Sie Verbindungen nach Italien? Ich meine zur Polizei, zu den Medien?» Sie warf ihren Schal auf einen der Stühle, lockerte mit gespreizten Fingern ihr Haar. Ihre rotlackierten Nägel leuchteten.
    «Nein», log Laura. «Nur zwei alte Tanten in Florenz, und die sind bereits gestorben.»
    «Ist das ein Scherz?»
    «Leider nicht.»
    «Sind Sie sicher, dass wir nicht abgehört werden?» Jetzt strich die Frau an den Wänden entlang und betastete mit den Fingern die Türfalze.
    «Ja, ich bin sicher! Könnten Sie sich allmählich entscheiden, ob Sie mir etwas erzählen wollen oder nicht? Ich habe nämlich noch andere Dinge zu tun!» Laura ließ sich in ihren bequemen Schreibtischsessel fallen und wippte mit der Lehne ein paarmal nach hinten.
    «Ich werde Ihnen keine Namen nennen, auch meinen eigenen nicht. Ich werde Ihnen eine
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