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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner
Autoren: Myra Çakan
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Schock, wie er sagt. Warmhalten, sagte er noch und legte mir eine Decke um. Er sah mir nicht in die Augen, als er meine Schulter drückte und ... Warum ich? Wassili ist tot. Er hat sich nie was aus Karten gemacht ...
    Ich sehe hinaus. Das Solarpaddle wirft einen scharfen Schatten auf das Labormodul. Von hier sieht alles unverändert aus. Der Andockring für das Shuttle liegt auf der anderen Seite. Sie machen jetzt gerade die letzten Systemchecks. Ich kenne die Prozedur. Die Routine – sie bewahrt einen davor, zuviel nachzudenken.
    Die Erde kann ich von hier aus nicht sehen. Als das Feuer ausbrach, war die Bodenstation offline. Die wissen noch gar nicht, was passiert ist. Wassili war gerade dabei, einen Systemcheck zu machen. Die erwarten erst um zwölfhundert CET unsere Rückmeldung.
    Mir ist kalt. Der Doktor sagte, das sei der Schock. Gut, dass ich die Decke habe.

    09/28/10.01 CET
    Die Explosion hat den gesamten Sektor mit den Notkapseln weggefetzt, sagte Benja. Sie sprach mit mir über den Anzugfunk. Ich saß auf meiner Koje und hielt mir den Empfänger ans Ohr. Benja sagte noch: »Das untere Solarpaddle hat es auch erwischt.« Benja ist Wissenschafts-Astronautin – Biophysikerin – und wird beim Abdockmanöver nicht gebraucht.
    Sie mussten Grigorij flach lagern. Tom und Davina sind bewusstlos. Manchmal höre ich Grigorijs Schreie. Ich weiß nicht, sind sie in meinem Kopf oder kommen sie durch Benjas Anzugfunk.
    Das Shuttle ist nicht für den Transport einer ISS-Mannschaft gebaut – Platz haben nur die Crew und vier Passagiere. Jemand muss die Station warten. Ich bin der Einzige, der dafür in Frage kommt und ich bin unverletzt.
    Sie werden ein Shuttle schicken, sagte der Commander. Er klang zuversichtlich.
    Viel Glück, Chris, sagt Benja. Ihre Stimme wird undeutlich, bald wird sie ganz verstummt sein. Erst knisternde Statik, dann Schweigen.

    09/28/10.09 CET
    Jetzt bin ich allein auf Delta 2. Ich war in der Gemeinschaftsmesse. Vorräte habe ich genug. Nur die Lebenserhaltungssysteme machen mir Sorgen. Nach der Explosion gab es kurzzeitig einen totalen Energieabfall auf der gesamten Station. Ich muss unbedingt herausfinden, was die Explosion verursacht hat. Für einen zweiten Ausfall reichen die Reserven nicht mehr.
    Ich muss mir einen Plan machen, jeden Punkt auf meiner Checkliste abhaken. Als erstes muss ich mir einen genauen Überblick über den Zustand der Station verschaffen. Der kleine R2D2 war offline, als das Feuer ausbrach, und ich kann die Verbindung nicht wieder herstellen. Das heißt also, wenn ich wissen will, wie schwer die äußeren Schäden sind, muss ich einen EVA machen.

    09/30/18.18 CET
    Ich versuche, einen normalen Tagesablauf einzuhalten. Es fällt mir schwer. Ich habe seit zwei Tagen nicht geschlafen. Stündlich fühle ich mich verlassener hier oben. Meine Schritte klingen hohl, und das Blut dröhnt in meinen Ohren. Ich merke, wie mir die Dinge entgleiten. Ich muss unbedingt schlafen.
    Morgen will ich versuchen, die Funkanlage zu reparieren. Doch dazu muss ich in die Kommandozentrale. Wassili ist noch da drin. Gott, hilf mir, wie soll ich seinen Anblick ertragen?

    10/01/14.32 CET
    Ich bin nicht reingekommen. Die Schleuse muss von der Hitze verzogen sein. Ich fühle mich, als hätte ich noch einmal einen Aufschub erhalten. Heute muss ich nicht zu Wassili.
    Ich glaube, ich weiß jetzt, warum ich nicht schlafen kann. Es ist die Angst, von einer erneuten Explosion geweckt zu werden. Grigorij war noch rausgekommen, ehe das Kommandomodul automatisch versiegelt wurde. Doch sagen, was genau passiert ist, konnte er nicht.

    10/01/16.18 CET
    Vorhin habe ich in der Apotheke Dexedrin gefunden. Endlich habe ich das Gefühl, wieder klar denken zu können, Entschlüsse zu fassen.
    Ich war auch im Labor. Auf den ersten Blick sah es so aus, als würden Benja und Tom jeden Moment zurückkommen. Doch dann sah ich es: In den Teströhren ist nur noch eine verklebte Masse. Auf den Instrumenten ist Kondenswasser. Die Blutproben sind eingetrocknet, und das Aquarium mit den Guppies ist zerstört. Die Lurche sind auch tot. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, die Labortiere zu versorgen. Ich darf nicht mehr so nachlässig sein.
    Mir ist immer noch kalt. Das kommt wohl vom Schlafmangel.

    10/02/01.00 CET
    Ich habe Laras Foto aufhängt. Ich hatte es in meiner Bordtasche. Ich wollte nicht, dass die anderen ihre Bemerkungen machen. Ich weiß, ich bin kein Frauentyp. Ich sehe nicht besonders aus, bin nicht witzig
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