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Nachtbrenner

Nachtbrenner

Titel: Nachtbrenner
Autoren: Myra Çakan
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City wuchs meine Plattensammlung ins Uferlose, und Bands und Künstler wie Chrome, die Swell Maps, die Pop Group; The Normal; Negativland; die Contortions; Tuxedomoon; Snakefinger; The Slits; Caspar Brötzmann Massaker; Palais Schaumburg; die Krupps; Cabaret Voltaire; Rip, Rig & Panic; Rema Rema und wie sie alle heißen mögen (die Liste ließe sich vielleicht nicht endlos, aber doch SEHR lange fortsetzen), halte ich bis heute in hohen Ehren. Und nach Lektüre der Science Fiction Times wuchs meine Büchersammlung ebenfalls ins Uferlose, denn auch im literarischen Bereich entdeckte ich ständig neue, teils großartige Autoren: Cordwainer Smith, die Brüder Strugatzki, Harlan Ellison, Samuel Delany, Ursula K. Le Guin, William S. Burroughs, Philip K. Dick, und nicht zuletzt natürlich J. G. Ballard, den Größten von allen – auch hier ließen sich viele, viele weitere Namen anführen.
    Kulturelle Strömungen befruchten sich häufig gegenseitig. Viele Platten der so genannten »Postpunk«-Bands – ich möchte die frühen Werke von Chrome als ein Beispiel anführen – waren ausgesprochen Science-Fiction-affin und präsentierten in ihren Songs und Geräuschcollagen düstere Zukunftswelten. Logisch, dass sich umgekehrt auch die Science Fiction von dieser Musik beeinflussen ließ ... der Cyberpunk war geboren, in der SF der 1980er Jahre fraglos die wichtigste und einflussreichste Strömung. Mitte der 1980er Jahre, als ich mit der ganzen Arroganz der Jugend (na ja) glaubte, es könne nichts Neues mehr unter der Sonne geben, las ich »Burning Chrome« von William Gibson – abermals ein prägendes Erlebnis, das mir wiederum neue Welten erschloss. (Tatsächlich hat mich in den letzten Jahren nur eine andere Lektüre derartig umgehauen, nämlich der grandiose Roman Monument für John Kaltenbrunner von Tristan Egolf, der nach zwei weiteren, ebenfalls vorzüglichen Romanen leider freiwillig aus dem Leben schied.) Nach beendeter Lektüre legte ich die Geschichte fast schwindelig aus der Hand und dachte mir: »Wow! Mehr davon!« Hier war ein Autor, der etwas Neues schrieb, mit einer bis dahin nie gehörten Stimme sprach, auf Messers Schneide zwischen Gegenwart und Zukunft balancierte, die Stimmung der Zeit einfing und in große Literatur umsetzte. Er war nicht der Einzige. Bruce Sterling, John Shirley, Lewis Shiner und Rudy Rucker wurden neben Gibson meine neuen Helden.
    Und damit kommen wir – »Endlich!« wird vielleicht manch einer, den meine kulturellen Epiphanien nicht die Bohne interessieren, mit einem Stoßseufzer ausrufen – zu Myra Çakan.
    In den 1990er Jahren war Vieles, das einst avantgardistisch und provokativ daherkam, etabliert und zahm geworden. Punk und Postpunk galten längst als eigenständige Strömungen der Popmusik, Cyberpunk als integraler Bestandteil der Science Fiction und Gegenstand akademischer Untersuchungen. Intellektuell anspruchsvolle SF spielte sich nicht mehr in den großen Verlagshäusern ab, sondern in kleinen Verlagen (hüstel), die die Fahne der Literatur hochhielten. Zum Beispiel im Hamburger Argument Verlag, der sich oben bereits erwähnter, geschätzter Autoren und Autorinnen wie John Shirley und Ursula K. Le Guin annahm. Über diesen Umweg kam ich zu Myra Çakan und ihrem ebendort veröffentlichten Roman When the Music’s Over. Klar, dass mich schon allein der Titel mit seinen mannigfachen Assoziationen ansprach, die er weckte.
    Obwohl ich die deutsche Science Fiction der 1980er und 1990er Jahre meist reichlich öde und nachrangig fand (ich möchte keine Namen nennen; es wird schon jeder wissen, wer gemeint ist), wagte ich mich an die Lektüre und erlebte zum wiederholten Male in meinem Leben eine Überraschung, handelte es sich doch genau um die Art von Science Fiction, die mich ansprach: anspruchsvoll, fordernd, literarisch, wie der Zahnarzt mit dem Bohrer direkt auf dem Nerv ... kurzum, die Art von Buch, die ich zu jener Zeit in der deutschen Science Fiction sowieso, aber leider auch in der amerikanischen so sehr vermisste. Und ich merkte, dass die Autorin sich in vieler Hinsicht mit denselben Dingen zu beschäftigen schien wie ich: populäre Musik, Literatur und Kultur um weitesten Sinne, die rasend kreisende Schnittstelle zwischen Heute und Morgen, wo wir selbst an einer Zukunft basteln, die möglicherweise nicht immer so strahlend ausfällt, wie unsere Politiker uns gern weismachen möchten.
    Myra Çakans Romane und Kurzgeschichten sind stark von der SF amerikanischer Spielart
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