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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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noch wach, wenn er jetzt nach Hause kam. Sie würde aufstehen. Sie stand immer auf, wenn er abends spät nach Hause kam. Sie würde ihm Fragen stellen und versuchen, sich für ihn zu interessieren. Dabei hätte sie vermutlich Mühe zuzuhören, denn der Mörder in ihrem Krimi war bestimmt mal wieder viel interessanter als alles, was ihr Sohn zu erzählen hatte. Normalerweise einigten sie sich dann rasch darauf, dass es Zeit sei, ins Bett zu gehen. So konnte sie sich wieder ihrem Roman widmen und er seinen Träumen.
    Aber heute würde es anders laufen, fürchtete er. Seine Mutter hasste betrunkene Männer. Sie selbst war bei einem Alkoholiker aufgewachsen, und das hatte Spuren auf ihrer Seele hinterlassen.
    Wenn Leons Vater sich mal »einen brennen« wollte, wie er es nannte – wenn er mit seinen Angelfreunden ein paar Bierflaschen köpfte –, dann tat er das immer außer Haus, und er kam erst am nächsten Tag frisch geduscht und mit geputzten Zähnen zurück. Leons Mutter konnte den Geruch von Alkohol nicht ausstehen. Das machte es für Leon schwer, zu Hause eine Party zu schmeißen. Wer stand schon auf Fruchtsaftfeten?
    Er entschied sich also, zu seinem ursprünglichen Plan zurückzukehren und bei Ben zu übernachten. Scheiß auf die Zicke Johanna, dachte er. Von der lass ich mich doch nicht vertreiben.
    Vermutlich würde Jessy sich etwas darauf einbilden und glauben, er sei nur wegen ihr zurückgekommen, aber das war ihm jetzt egal.
    Als Leon wieder auf der Party erschien, verließ der Mörder seiner Mutter gerade das Haus. Fast hätten sich ihre Wege gekreuzt.

2
    Leon wurde von dem Geklapper wach. Er hatte mörderischen Durst. In der Küche deckte jemand den Tisch. Es roch aber nicht nach frischen Brötchen, sondern nach stinkigen Socken.
    Er hatte auf einer Luftmatratze vor Bens Bett geschlafen, und Ben war später halb ohnmächtig ins Bett gefallen und mit allen Klamotten am Körper eingepennt. In der Nacht hatte er zu schwitzen begonnen und seine Partymontur ausgezogen. Er hatte alles im Halbschlaf gemacht und die Strümpfe einfach vors Bett fallen lassen. Seine Simpsonssocken landeten nah bei Leons Gesicht. Als er sich umdrehte, lag er mit der Nase direkt darauf.
    Angewidert warf er die Socken auf Bens Gesicht, wovon der wach wurde.
    »Mann, äi! Lass mich pennen.«
    Leon sah sich nach etwas Trinkbarem um. Die Wüste im Hals lechzte nach Wasser, aber er fand nur zwei halbvolle Flensflaschen. Bei dem Gedanken, jetzt Bier trinken zu müssen, schüttelte er sich. Er wusste nicht einmal, ob er schon reif für Kaffee war. Vielleicht sollte er es besser mit Kamillen- oder Pfefferminztee versuchen.
    Er tapste auf der Suche nach Flüssigkeit eine Weile halbblind im Zimmer herum, weil durch die Ritzen der Rollläden nur spärlich Licht in den Raum fiel.
    Da öffnete Maik, der Lebensgefährte von Bens Mutter und Möchtegernvater ihrer Kinder, die Tür, lachte sein unverwechselbares Lachen, um das so viele Menschen ihn beneideten, und frohlockte: »Master! Dinner is prepared!«
    »Boh, nein, äi!«, stöhnte Ben und zog sich ein Kissen vors Gesicht.
    Unbeeindruckt davon trat Maik ein und kitzelte Ben unter der Fußsohle. Der zog seinen Fuß rasch ins Bett zurück und maulte: »Außerdem ist das bestimmt kein Dinner, sondern ein Breakfast, das du da – leider viel zu laut – aufgebaut hast.«
    Fröhlich suchte Maik den Fuß unter der Decke und lachte: »Das war ein Zitat aus …«
    »Der Rocky Horror Picture Show«, vollendete Ben angenervt den Satz.
    Wenn Maik nicht aus Rocky Horror zitierte, dann aus Casablanca oder Crocodile Dundee.
    Leon mochte Maik. Er hörte ihm gerne zu. Maik hatte viele Geschichten drauf. Er war das Gegenteil von einem Spießer. Ein Weltenbummler und Abenteurer, der jetzt sesshaft werden wollte, hier in Bremerhaven, bei Ben, Johanna und Ulla Fischer.
    Wie ein angeschossener Zombie wankte Leon an Maik vorbei in die Küche.
    Hatte der hier aufgeräumt? Jedenfalls gab es frisch gepressten Orangensaft und auf der Arbeitsplatte neben dem Ceranfeld lag noch ein Beutel spanischer Apfelsinen. In einer steckte malerisch ein Messer.
    Seine Dienstjacke hing über einem Stuhl. Security Homeservice. Es war für fünf Personen gedeckt, aber alle anderen Plätze waren noch frei.
    Leon klemmte sich an der Längsseite auf die Sitzecke. Dort schien ihm besonders viel Orangensaft im Glas zu sein. Er leerte das Glas gierig.
    Maik kam aus Bens Zimmer zurück.
    »Ach, lassen wir den schlafen. Johanna ist auch
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