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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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später gestehen, sind die Ausnahmen. Wir haben jetzt eine Chance, Löckchen. Nutzen wir sie. Das Zeitfenster, um einen Mord zu klären, ist so klein …«
    Er zeigte zwischen Daumen und Zeigefinger einen zuckerwürfelgroßen Abstand an.
    »Ich hätte trotzdem gerne noch einen Espresso. Mein Kreislauf ist gerade ganz unten«, sagte Birte Schiller kraftlos. Er schien den Hinweis nicht zu verstehen und machte keine Anstalten aufzustehen, um ihr den Espresso zu holen.
    Sie stöhnte, erhob sich schwerfällig und ging zur Theke. Jetzt kapierte er.
    »Warte, Löckchen, ich erledige das doch gerne für dich.«
    Er überholte sie. Sie nahm sein Angebot an und setzte sich wieder. Büscher stand für sie Schlange.
    Er wog in Gedanken ab, was für Leon Schwarz als Täter sprach. Er hatte sich viel Mühe gegeben, vor aller Augen nach Hause zu kommen, mitten in den Polizeieinsatz hinein. Dann war er im Zimmer seiner Mutter zusammengebrochen. Das Ganze sah sehr dramatisch aus, geradezu gekonnt. Wollte er so seine Spuren ins Zimmer bringen? War der Junge so clever? Jeder Vorstadtanwalt könnte so zum Beispiel Fußspuren im Blut erklären. Hatte der Gymnasiast nur versucht, jeden Indizienbeweis gegen ihn zu erschüttern?
    Büscher schämte sich schon lange nicht mehr für solche Gedanken. Er hatte gelernt, allen Menschen zu misstrauen und auch, ihnen zunächst das Schlimmste zu unterstellen. Ja, vielleicht war das ungerecht, aber er war zu oft reingelegt worden. Er wollte keinem Ganoven mehr auf den Leim gehen. Wenn es der Sohn nicht war, dann musste der Vater der Täter sein. Angeblich war keiner von ihnen zu Hause gewesen. Der eine feierte auf einer Party, der andere war zur Tatzeit beim Nachtangeln.
    Nein, das war ihm alles zu billig. So einfach wollte er sie nicht davonkommen lassen. Er rechnete damit, in den nächsten Stunden ein Geständnis zu bekommen. Täter flüchteten sich gern in Krankenhäuser, ließen sich Spritzen geben und zogen sich in Krankheit und Schock zurück, wenn sie Angst davor hatten, bei einem Verhör zusammenzubrechen.
    Er war inzwischen in der Schlange an der Reihe, aber viel zu sehr in seine Überlegungen versunken, um das zu bemerken. Die junge Bedienung hinter der Theke sah ihn auffordernd an. Unter ihrem Blick zuckte Büscher zusammen. Er sah sich um. Hinter ihm standen noch vier Leute.
    Büscher zeigte auf den Nuss-Sahnekuchen mit Marzipanröschen. »Zwei Stücke«, sagt er, klang dabei aber unentschlossen. Dann erinnerte er sich wieder genau daran, warum er zur Theke gegangen war. »Einen Espresso und … Ja, ähm, also … für mich noch ein Mineralwasser.«
    Er zahlte und jonglierte das Tablett zum Tisch. Kommissarin Schiller checkte auf ihrem Handy gerade ihre E-Mails.
    Sie sah auf den Kuchen, dann auf Büscher. »Gleich zwei Stück? Heute so kalorienbewusst?«, fragte sie spitz.
    Er wollte ihr gerade ein Sahnestückchen neben die Espressotasse stellen, da fiel ihm siedend heiß ein, dass er wieder etwas falsch gemacht hatte.
    Fast genüsslich ritt sie darauf herum. »Milchallergie. Milch. Kuh. Sahne. Ich esse auch keine Butter, keinen Quark, keinen Joghurt. Und natürlich keine Sahne. Ich kriege davon Hautausschlag, Pickel, Juckreiz und …«
    »Ist ja schon gut.«
    Schlechtgelaunt stopfte er einen Sahneberg mit Marzipanröschen in sich hinein. Er würde jetzt diese beiden Stücke Torte essen, ohne Birte Schiller anzusehen. Er wusste, dass ihm danach schlecht werden würde, aber es war ihm egal.
    Er war wütend auf sich selbst. Genau wegen solcher Unachtsamkeiten hatte seine Frau ihn verlassen. Nicht etwa, weil er so oft nicht zu Hause war und Überstunden schob, nein, weil er, wenn er zu Hause war, nicht wirklich da war, sondern geistig wie weg. Mit seinen Fällen beschäftigt. Er hielt es nicht aus, einen Mörder frei herumlaufen zu lassen. Er fand keine Ruhe, bis er den Täter zur Strecke gebracht hatte. Es war wie eine Sucht, und wenn ein schlimmer Finger hinter Schloss und Riegel saß, dann wartete schon der nächste Fall auf ihn.
    Seine Frau hatte es eines Tages nicht mehr ausgehalten, und das steigerte seine Wut auf jeden einzelnen Täter noch. Sie hatten nicht nur Menschenleben vernichtet, sondern auch seine Ehe. Dafür sollten sie büßen. Alle.
    Ja, verdammt, er liebte seine Frau immer noch, obwohl sie inzwischen mit einem anderen zusammenlebte, in einem Haus am Stadtrand, das er sich mit seinem Gehalt niemals würde leisten können, zumindest nicht, wenn er anständig blieb.
    Er
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