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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ver …«
    In diesem Moment flog die Tür der Lagerhalle auf und zwei mit Zaunlatten bewaffnete Männer standen vor ihnen. Hinter ihnen tauchte Maik auf.
    »Ach du grüne Scheiße …«, entfuhr es Johanna.
    »Da sind sie! Sie haben mir Reizgas in die Augen gesprüht. Seid vorsichtig! Sie sind bewaffnet.«
    Leon und Johanna klammerten sich aneinander. Es war nicht klar, wer hier wem half. Einer stützte den anderen. Sie wussten beide, dass es klüger gewesen wäre, sich zu trennen und in zwei verschiedene Richtungen zu laufen, aber sie taten es nicht. Vielleicht waren sie dazu auch gar nicht in der Lage.
    Die beiden Möchtegernhelden folgten ihnen in den Raum.
    Aus der Zaunlatte von dem Dürren ragten zwei Nägel, und Johanna hätte jede Wette gehalten, dass die rostig waren.
    »Kannst du rennen?«, raunte Leon in Johannas Ohr.
    Als sei seine Frage das Stichwort gewesen, stürmten die beiden quer durch die Halle zu einem Hinterausgang. Mit Schwung ließen sie die Tür zukrachen und waren schon über den Zaun geklettert, bevor die zwei Typen überhaupt die Tür aufbekamen. Sie flohen zu Fuß weiter bis zum Treffpunkt Kaiserhafen , der »letzten Kneipe vor New York« .
    Der Wind kam von Nordost. Die kühle Seeluft tat gut.
    Sie waren abgehetzt, müde, mit geschundenen Knochen, roten Augen, gereizter Haut, und Johanna hatte nicht nur eine blutende Wunde am Hals, sondern auch fürchterlichen Durst. Sie sagte gar nichts. Sie deutete nur mit dem Kopf auf die Gaststätte. Leon war eh schon alles egal.
    Sie bestellten sich an der Theke zwei Cola, die sie gleich runterstürzten. Leon nahm noch ein Alster hinterher und Johanna ein großes Mineralwasser.
    Auf der Toilette machten sie sich ein bisschen frisch und versorgten ihre Wunden. Leon erschrak, als er seine verklebten Augen sah.
    Das Wasser half etwas, kühlte aber vor allem. Auf Leons Lippen bildeten sich Pusteln von dem Reizstoff, und sein Gesicht sah aus, als ob er zu lange in der prallen Sonne gesessen hätte.
    »Und was jetzt?«, fragte Johanna und schaute sich zum ersten Mal in der Kneipe um. Eigentlich richtig gemütlich hier, und es roch wunderbar nach Speck und Bratkartoffeln und nach Bier. Viele Tische waren noch besetzt, die meisten Essen jedoch schon abgeräumt. »Zur Polizei?«
    Leon schüttelte den Kopf. »Die glauben uns doch nie im Leben.«
    »Ja, und was dann? Aufgeben – oder was?«, provozierte Johanna.
    Leon fragte sich, wie sie es geschafft hatte, dass sie wieder einigermaßen normal aussah, ungeschminkt zwar, aber wieder gut. Er dagegen kam sich vor wie Frankensteins künstlich erschaffener Mensch.
    »Wo sollen wir überhaupt hin? Bei dir können wir ja wohl kaum schlafen – oder denkst du, deine Mutter glaubt uns?«
    Ohne lange nachzudenken, schüttelte Johanna den Kopf. »Die ist viel zu verknallt in den Arsch.«
    »Ich kenne einen, der uns vielleicht die ganze Geschichte abnimmt. Ja, dem traue ich das zu.«
    »Jetzt sag nicht, deinem Mathelehrer?!«
    »Nein.« Johanna schaffte es tatsächlich selbst jetzt, Leon zum Lachen zu bringen. Leider tat es weh. »Ich denke«, sagte Leon, »wir wenden uns an diesen Gerichtspräsidenten.«
    »Häh? Was? An wen?«
    »Wir haben mit der Schule mal das Amtsgericht besichtigt, und da hat uns der Präsident alles gezeigt und …«
    »Ja, wie schön für dich …«
    »Hör doch mal zu und mach nicht gleich alles mies. Der hat uns ein Bild gezeigt oder eine Skulptur oder so, also ein Kunstwerk nur aus Worten.«
    Johanna verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Na toll.«
    »Da stand: Ohne Irrtum kann niemand eine Aussage über uns machen . Und das veränderte sich immer wieder, bis da stand: Ohne uns kann niemand eine Aussage über Irrtum machen. «
    Leon schwieg bedeutungsschwanger und sah Johanna an.
    »Na und?«, fragte sie schulterzuckend.
    Der Wirt baute sich vor ihnen auf. Er hatte einen gemütlichen runden Bauch. »Noch was zu trinken? Wir schließen gleich.«
    »Nein, danke«, sagte Johanna.
    »Wer so etwas in einem Gericht aufhängt, der weiß, dass die Wahrheit nicht immer einfach ist und Geschichten ganz schön kompliziert sein können.«
    »Ja, klasse. Und?«
    »Und der glaubt uns vielleicht.«
    »Vielleicht.«
    »Auf jeden Fall dürfte er nicht so eine enge Auffassung von Realität haben wie dieser Kommissar Büscher.«
    Leon bezahlte, und Johanna hatte nur noch eine Frage: »Und wie heißt der Typ?«
    »Lissau. Uwe Lissau. Den Namen habe ich mir gemerkt.«
    Johanna glaubte nicht wirklich
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