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Nachtblauer Tod

Nachtblauer Tod

Titel: Nachtblauer Tod
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Ich habe es versaut, Papa. Ich dachte, ich könnte es schaffen, aber ich habe es versaut. Schluss. Aus. Ende. Das war es.
    Schon war Maik bei Leon und nahm ihm das Handy ab. Erleichtert stellte Maik fest, dass Leon niemanden angerufen hatte. Es waren ein paar Zahlen und Buchstaben auf dem Display. 2795 BBBA. Beim besten Willen konnte sich da niemand melden.
    »He, was ist, Kleiner, du wirst mir doch jetzt hier nicht kotzen, oder?«
    Leon bewegte sich nicht. Er starrte nur Johanna an und schwankte wie ein einsamer Baum im Wind.
    Maik wusste, dass er Leon jetzt problemlos beherrschen konnte. Er machte längst nicht so viele Probleme, wie Maik erwartet hatte. Er würde das Pfefferspray gar nicht brauchen und vermutlich auch nicht den Elektroschocker.
    Er hielt den Strahl der Taschenlampe weiter auf Johanna gerichtet und tastete Leon von hinten ab. Der Junge trug keine Waffe. Nicht einmal ein Taschenmesser. Wie wollte dieser Kerl ihn bezwingen? Mit seinen treuen Augen?
    Maik stieß Leon an. »Hey, was ist? Bist du schockgefroren oder was?«
    Leon reagierte nicht. In ihm tobte ein Wirbelsturm von Antworten, Beschimpfungen, Flüchen und Befehlen. Am deutlichsten: Hol sie sofort da runter, du Stück Scheiße!
    Aber Leon bekam keinen Ton heraus. Alles war nur in ihm. Er wollte sich zu gern auf Maik stürzen und einen Kampf auf Leben und Tod beginnen, aber seine Gelenke waren steif und seine Muskeln verhärtet. Er fühlte sich wie ein Eisblock in dieser schwülen Sommernacht.
    Leon rang nach Luft. Er brauchte Sauerstoff, konnte aber nicht einatmen. Es war, als würde die Luft im Hals steckenbleiben.
    Ein Protestschrei baute sich in Leon auf, kam aber nicht raus. Er sah sich schon platzen und in Fetzen durch den Raum fliegen, so groß war der Innendruck, aber nichts geschah.
    Leon taumelte. Er kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Die Wände bewegten sich auf ihn zu. Die Seile und Ketten, die von der Decke herunterhingen, wurden zu giftigen, bissigen Schlangen.
    »Bist du katatonisch geworden oder was?«, fragte Maik, der durch Leons Zustand verunsichert wurde. »Du versuchst doch hier nicht irgendwelche Tricks mit mir? Mach jetzt bloß nicht einen auf krank. Das bringt gar nichts. Bald wird sich die Polizei um dich kümmern. Dann kommt bestimmt auch ein Doktor und ein netter Psychologe.«
    Leon verfiel in ein Hecheln. Vor seinen Augen verschwammen die Dinge.
    Johanna am Flaschenzug.
    Maik.
    Das Bild seiner blutüberströmten Mutter.
    Die Katze Molli.
    Der Kriminaltechniker im Flur, der sich mit seinen Handschuhen den Schweiß von der Stirn wischte.
    Leon sah seinen Vater im Krankenhaus am Tropf und dann, wie er, umgeben von Millionen von Luftbläschen, im Eiswasser auf ihn zugeschwommen kam. Er spürte wieder die Berührung, wie sein Vater ihn packte und zum Luftloch hochzog.
    Leons Atmung normalisierte sich. Ein Zittern durchströmte seine Beine. Er spürte den Boden wieder unter sich. Sein Gesicht und sein Hals waren von einer dicken, glänzenden Schweißschicht überzogen.
    Leon wusste, dass er jetzt wieder sprechen konnte, aber er hatte zu viele Worte im Sinn, die gleichzeitig herauswollten, und so entlud sich alles in einem einzigen, tierischen Schrei.
    Maik zuckte zurück vor der Urkraft dieses Lautes. Doch er gewann rasch wieder seine Fassung.
    »Aber wir sind doch keine Brüllaffen mehr!«, spottete er.
    »Was hast du mit ihr gemacht?«, hörte Leon sich fragen.
    Maik lachte. »Diese Frage wirst du beantworten müssen. Glaub mir, Kleiner, sie werden sie dir mehr als einmal stellen. Immer und immer wieder. Gleich wird sie sterben. Es ist schade, aber es geht nicht anders. Ihr Tod macht die Sache erst rund. Ich werde dich dann niederschlagen und der Polizei übergeben. Ja, so muss es wohl gelaufen sein. Du hast sie per Handy hierhergelockt und dann hier umgebracht, weil sie dir auf die Schliche gekommen ist. Klasse, was? Na, sieh das doch mal positiv: Du wirst in die Jugendpsychiatrie kommen und vom AOK-Dealer astreine Drogen kriegen. Auf Krankenschein. Beneidenswert. Sie werden dich so lange therapieren, bis du deine Schuld nicht länger leugnest und zu deiner Tat stehst. Deinen Vater wird man natürlich freilassen. Wahrscheinlich kriegt er sogar eine Haftentschädigung. Und ich, mein Lieber, ich werde ein Held sein, weil ich dich zur Strecke gebracht habe. Ulla und Ben werden lange um Johanna trauern. Danach zieht Ben garantiert in Johannas Zimmer, weil das nämlich viel größer und schöner ist als seines. Wir
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