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Irrwege

Titel: Irrwege
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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Kapitel 1
Abarrach
    Abarrach: Welt aus Stein; Welt der Dunkelheit,
erleuchtet vom roten Glanz der Magmaseen; Welt der Stalagmiten und
Stalaktiten, Welt der Feuerdrachen, Welt der vergifteten Luft und der
Schwefeldämpfe, Welt der Magie.
    Abarrach: Welt der Toten.
    Xar, Fürst des Nexus und jetzt Fürst von
Abarrach, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stützte erschöpft die Stirn
in die Handflächen. Die Runengefüge, die er studierte, begannen vor seinem
Blick zu verschwimmen. Beinahe hätte er einen Fehler gemacht – unverzeihlich,
auch wenn er noch rechtzeitig aufmerksam geworden war und eine Berichtigung
vornehmen konnte. Die brennenden Augen geschlossen, vollführte er in Gedanken
noch einmal die einzelnen Schritte.
    Beginnen mit der Herzrune. Verbinde den Stamm
dieser Glyphe mit der Basis der benachbarten Rune. Von diesem Fundament auf
der Brust weiterarbeiten bis zum Kopf. Ja, exakt in der Phase waren ihm die
Fehler unterlaufen. Der Kopf war wichtig – entscheidend. Gut. Anschließend die
Sigel auf dem Rumpf, schließlich die Arme, die Beine.
    Perfekt. Kein Mangel zu entdecken. Vor seinem
inneren Auge sah er den Leichnam, an dem er experimentiert hatte zu neuem
Leben erwachen. Einem widernatürlichen Leben, allerdings, aber nützlich. Welch
unsinnige Vergeudung, den Leib nach dem Tode dem Verfall zu überantworten.
    Xar lächelte triumphierend, doch es war ein
kurzlebiger Triumph, von ebenso geringer Dauer wie das Wunschbild von der
geglückten Auferweckung. Sein Gedankengang war ungefähr folgender:
    Ich kann Tote zum Leben erwecken.
    Ich glaube, ich kann Tote zum Leben
erwecken.
    Mit letzter Sicherheit weiß ich es nicht.
    Das war der Wermutstropfen im Becher der Freude.
Es gab keine Toten, an denen er seine neuen Kenntnisse erproben konnte. Oder
vielmehr, es gab zu viele Tote. Nur eben nicht tot genug.
    Verbittert schlug Xar mit der flachen Hand auf
das akribisch konstruierte Modell. Die Runensteine 1 flogen auseinander, rutschten über die Tischplatte und fielen auf den Boden.
    Xar achtete nicht darauf. Er konnte das Gefüge
jederzeit wieder zusammensetzen. Wieder und wieder. Das Muster war seinem Kopf
so fest eingeprägt wie der Runenkomplex zur Erschaffung von Wasser. Doch was
nützte ihm das.
    Xar brauchte eine Leiche. Nicht älter als
höchstens drei Tage. Eine, die nicht diesen elenden Lazaren 2 in die Hände gefallen war. Übellaunig wischte er die liegengebliebenen Steine
von der Tischplatte.
     
    Er verließ den Raum, den er als Studierzimmer benutzte,
und begab sich zu seinen Privatgemächern. Der Weg führte ihn an der Bibliothek
vorbei. Dort hielt sich Kleitus auf, der Dynast, ehemaliger Herrscher von Nekropolis,
der größten Stadt Abarrachs. Jetzt war Kleitus ein Lazar, einer der Lebenden
Toten. Als Schreckensgestalt, weder tot noch lebendig, durchwanderte er die
Säle und Korridore des Palastes, der einst seine Residenz gewesen war. Der
Lazar glaubt sich immer noch an der Macht; Xar wußte es besser, sah jedoch
keinen Grund, Kleitus die Augen zu öffnen.
    Der Fürst des Nexus wappnete sich für das
Gespräch mit dem Herrscher der Lebenden Toten. Xar hatte in dem langen Ringen
um die Befreiung seines Volkes aus dem Labyrinth gegen viele Gegner gekämpft.
Drachen, Werwölfe, Snogs, Chaodyn – was das Labyrinth an Monstrositäten
aufzubieten vermochte. Xar fürchtete nichts. Keinen lebenden Feind. Doch trotz
aller Selbstbeherrschung empfand er tiefstes Unbehagen, wann immer er in das
gespenstische, sich ständig wandelnde Totenmaskengesicht des Lazars schaute.
Xar las den Haß in dessen Augen – den Haß der Toten Abarrachs auf die Lebenden.
    Eine Begegnung mit Kleitus war niemals angenehm,
Xar mied den Lazar nach Möglichkeit. Er fand es in höchstem Maße beunruhigend,
mit einem Wesen reden zu müssen, das nur von einem Gedanken beherrscht wurde:
zu töten. Ihn zu töten.
    Die tätowierten Runen an Xars Körper strahlten
blau – sie schützten ihn vor Angriffen. Der blaue Schimmer spiegelte sich in
den glasigen Augen des Dynasten, deren starrer, glitzernder Blick Enttäuschung
verriet. Der Lazar hatte gleich nach Xars Ankunft versucht, den Patryn zu
töten. Der Kampf war kurz gewesen, ein spektakuläres Kräftemessen. Kleitus
versuchte es kein zweitesmal. Doch er träumte davon in den endlosen Stunden
seiner qualvollen Existenz. Und er versäumte nie, die Sprache darauf zu
bringen, wenn sie sich trafen.
    »Eines Tages, Xar«, sagte
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