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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge
Autoren: Titus Müller
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Deutschen nach Mauthausen gebracht.
    Eduard Rozbarski, 20, transportierte man wegen »Blutschande« nach Sachsenhausen ab.
    Anna Brecziska aus Soest liebte einen Deutschen. Die Zwanzigjährige wurde ins KZ überstellt.
    Janina Kakwzanka, 21, erging es genauso. Sie landete in Ravensbrück.
    Offiziell erhielten die Zwangsarbeiter für ihre Arbeit eine Entlohnung. Man zahle den Lohn auf ein Sparbuch ein, wurde ihnen gesagt. Allerdings wurde davon so viel für die Unterkunft einbehalten, dass de facto nichts übrig blieb. Für eine Frau betrug der Höchstsatz, abhängig vom Alter, 1,50 Reichsmark am Tag, für einen Mann 1,70 Reichsmark. Allein für Unterkunft und Verpflegung wurden Ostarbeitern aber schon 1,50 Reichsmark am Tag abgezogen.
    Anfangs war jedes Verlassen des Barackenlagers auf den Möhnewiesen verboten. Später durften einige besonders bewährte und fleißige Zwangsarbeiterinnen zur Belohnung in einer Gruppe von mindestens fünf Frauen das Lager verlassen. Als Angehörige einer »minderwertigen Rasse« durften sie keine Bürgersteige benutzen, sondern mussten auf der Straße laufen, und hatten in jedem Fall in der Gruppe zusammenzubleiben.
    Fluchtversuche von Zwangsarbeiterinnen in Neheim sind mehrfach nachgewiesen. Meist wurden die Frauen nach wenigen Tagen aufgegriffen und in Straflager gebracht.
    Als die Flutwelle sich näherte, öffnete der kriegsversehrte Wachmann Robert mit einer Zange den Drahtzaun des Barackenlagers auf den Möhnewiesen und rettete damit Dutzenden Zwangsarbeiterinnen das Leben. Er selbst ertrank.
    Kurz vor Kriegsende, als die Alliierten über den Rhein nach Osten vordrangen, befahl der Gauleiter von Westfalen-Süd, Albert Hoffmann, alle Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen Dortmunds in unterirdische Zechen zu bringen und die Stollen zu fluten, um sie zu ertränken. 30 000 Menschen sollten so zu Tode kommen. Die Leitungsgremien der Gelsenkirchener Bergwerks- AG und der Zeche »Gottessegen« in Dortmund-Kirchhörde brachten jedoch technische Argumente gegen die Ausführung des Massenmords vor, und verhinderten ihn. Gauleiter Hoffmann wurde wegen seines Befehls nie zur Rechenschaft gezogen.
    Als sich die Alliierten näherten, erschoss man – auch im Regierungsbezirk Arnsberg – die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen zu Hunderten.
    Stalin bestand, nachdem der Krieg vorüber war, entsprechend dem Abkommen von Jalta auf der Auslieferung aller russischen Zwangsarbeiter. Lastwagen fuhren über die Dörfer und fingen alle ein, die sich nicht freiwillig in den Kasernen gemeldet hatten. Nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion wurden sie als Verräter behandelt, unabhängig davon, ob sie sich freiwillig für die Arbeit in Deutschland gemeldet hatten oder von den Nazis gegen ihren Willen aus den besetzten Gebieten abtransportiert worden waren. Viele verschwanden in Straflagern, und die, die verschont blieben, vernichteten voller Angst ihre Unterlagen über die Zeit in Deutschland – weshalb sie später keine Belege mehr hatten und leer ausgingen, als Deutschland sich bereit erklärte, Entschädigungen zu zahlen.

Schulen, Lehrer und Lehrpläne in Nazideutschland
    Durch die Erziehung und die Propaganda in Rundfunk, Kino und Zeitungen wurde in die Herzen der Bevölkerung ein tiefer Glaube an die Partei und vor allem an die Person Adolf Hitlers eingepflanzt.
    Joseph Goebbels arbeitete akribisch, um den größtmöglichen Propagandaeffekt zu erreichen. Am 22. Juni 1941 notierte er in sein Tagebuch: »Neue Fanfaren ausprobiert. Auch vom Horstwessellied. Aber die Lisztfanfare bleibt doch die beste.« Und am 1. Juli 1941: »Abends Wochenschau. Noch viel Arbeit daran, am Schnitt und an der Musik. Aber dann ist sie wie aus einem Guss, ein filmisches Meisterwerk.«
    Besonders perfide nutzten die Nazis die Formbarkeit und Beeinflussbarkeit von Kindern und Jugendlichen aus, um ihnen ein verzerrtes Weltbild einzuprägen und sie dafür bereit zu machen, im Krieg für den Größenwahn des Reichs zu sterben.
    Bei den Recherchen für Nachtauge fielen mir dank der Hilfe von Jürgen Deibl und Ralf Bartsch siebzig Jahre alte Schulhefte in die Hände. Darin zu lesen hat mich erschüttert. Den Kindern wurde im Erdkundeunterricht weisgemacht, es gäbe reiche und besitzlose Staaten, und diese Ungerechtigkeit sei mittels eines Krieges auszugleichen. Die Schülerin Elfriede H. malte eine Tabelle in ihr Erdkundeheft, in der sie Rohstoffvorkommen nach Ländern auflistete: Vorkommen von Erdöl, Weizen, Eisenerz, Gold,
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