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Nachtauge

Nachtauge

Titel: Nachtauge
Autoren: Titus Müller
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Baumwolle usw. Dabei schnitten das »Britische Weltreich« und die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Russland sehr gut ab. Schlecht sah es für Japan, Italien und Deutschland aus. Sie schrieb in ihr Heft:
    Nach dem Weltkrieg drei Fünftel der Erde auf England-U.S.A.-Frankreich-Rußland aufgeteilt (Rohstoffkammern). Verdrängung der anderen Nationen vom Weltmarkt. Raub unserer Kolonien. Ziel unserer Feinde! Koloniallüge!
    Von da war es dann nicht weit zum nächsten gedanklichen Schritt, den Elfriede H., angeleitet von ihren Lehrern, ebenfalls vollzog:
    Kampf um Raum und Macht auf der Erde. Ein großes Volk braucht Raum. Ostpolitik! Kampf um unser Lebensrecht und Dasein. Unser Recht auf die Kolonien und darum auch unser Anspruch. Gleichberechtigung und Aufteilung der Erde nach den Bedürfnissen der Völker. Italiens Kampf, um seiner Überbevölkerung Raum in Afrika zu schaffen (Abessinien). Japans Griff nach dem Festland, um neuen Wirtschafts- und Lebensraum für seinen Bevölkerungsüberschuss [zu schaffen]. Deutschlands Bemühungen, auf friedlichem Wege durch seine Vierjahrespläne wirtschaftliche Freiheit und Unabhängigkeit zu erringen; daraufhin Versuch der Einkreisung, Blockade und wirtschaftliche Fesselung durch die »Besitzenden«. (Niederhaltung der jungen, aufstrebenden »Völker ohne Raum«.)
    Gleichzeitig wurden fremde Rassen als Bedrohung der eigenen Rasse hingestellt, die man im »Geburtenkrieg« besiegen (wer mehr Kinder auf die Welt brachte, verdrängte irgendwann die anderen Rassen) und gegen die man sich mit allen Mitteln zur Wehr setzen müsse. Indem die eigene Rasse in der Schule, in Liedern und in den Medien fortwährend gelobt wurde, stellte sich irgendwann eine Arroganz ein, die schließlich zu der Überzeugung führte, Deutschland stehe das Recht zu, über andere zu bestimmen.
    Hitler verfolgte ein klares Erziehungsziel: »Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich … Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein.«
    Deshalb notierte Elfriede H. in ihrer Kinderschrift ins Schulheft, Fach Reichskunde:
    Warum haben wir Krieg?
    1.Weil England den Krieg gegen uns begonnen hat. Erst hetzte es die Polen gegen uns auf, ließ sie dann im Stiche u. führte selbst den Krieg gegen uns weiter, ohne auf das Friedensangebot des Führers einzugehen. England schaute mit Neid u. Missgunst auf den Wiederaufstieg Deutschlands. Es fürchtete für sein großes Kolonialreich, das ihm sehr viel Geld einbrachte. Darum sollten wir kleingemacht u. vernichtet werden.
    2.Weil Amerika schon von Anfang an England geholfen hat. Hinter seiner Regierung stehen die Juden, denen gehören die Rüstungsfabriken. Durch den Krieg verdienen sie ungeheuer viel Geld. Amerika leiht auch sein Geld an England u. bekommt dafür Stützpunkte auf englischen Kolonien, die es dann allmählich ganz in Besitz nimmt. So will Amerika die Weltherrschaft antreten.
    3.Weil der Bolschewismus auch die Welt beherrschen u. bolschiwieren möchte.
    4.Weil wir uns gegen unsere Feinde wehren müssen, sonst geht Deutschland unter. Wir kämpfen um das Leben unseres Volkes.
    Ab dem 11. Oktober 1941 beziehungsweise dem 3. März 1942 durften Bücher russischer, englischer, französischer und amerikanischer Autoren von den Schulbibliotheken nicht mehr ausgegeben werden. Auch die Musik von Komponisten aus diesen Ländern war an den Schulen verboten.
    Lehrer, die sich gegen die neuen Lehrpläne wehrten oder zum Beispiel an der Rassenlehre zweifelten, wurden mithilfe des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« vom 7. April 1933 aus dem Staatsdienst entfernt. In Paragraf 4 hieß es: »Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden.« Ein vierseitiger Fragebogen musste ausgefüllt werden. Wer seine arische Abstammung nicht nachweisen konnte, verlor seine Anstellung ebenso wie alle politisch Unzuverlässigen.
    Später waren es oft fanatisierte Schüler oder nationalsozialistisch eingestellte Kollegen, die »Verfehlungen« anderer Lehrer meldeten. Dem Schulleiter des Realgymnasiums in Minden beispielsweise wurde vorgeworfen, er habe geäußert, die Rassenkunde beruhe auf einem Irrtum und dem Wunschbild, dass die nordische Rasse die beste sei. Das sei nicht wissenschaftlich fundiert, die anderen Rassen seien gleichwertig. In der Rede zur
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