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Nacht über Eden

Nacht über Eden

Titel: Nacht über Eden
Autoren: V.C. Andrews
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Arbeit. Nur Luke blieb etwas hinter den anderen zurück. Ich wußte, daß er sich immer ein wenig als Außenseiter fühlte.
    »Komm, Luke«, rief meine Mutter, als sie sah, daß er unbeweglich stehen blieb. »Logan und ich haben uns auch für dich etwas Besonderes ausgedacht.«
    »Danke, Heaven.«
    Meine Mutter sah zuerst Luke und dann mich an und ging schließlich mit den anderen ins Haus. Luke rührte sich nicht vom Fleck.
    »Komm doch, du Dummkopf«, sagte ich, »heute ist unser Ehrentag.«
    Er nickte.
    »Was für ein traumhafter Wagen.«
    »Gleich nach dem Frühstück werden wir eine Probefahrt machen, okay?«
    »Natürlich«, antwortete er, aber er sah bedrückt aus. »Heaven hat auch meine Mutter eingeladen, aber sie hat einen Kater von gestern. Ich weiß nicht, ob sie kommt«, erklärte er.
    »O Luke, es tut mir so leid!« Ich ergriff seine Hand. »Wir wollen uns heute durch nichts den Tag verderben lassen, und sollte es doch irgend etwas Unerfreuliches geben, werden wir sofort zum Pavillon gehen.«
    Luke mußte lächeln. Als wir klein waren, hatten wir viel Zeit dort verbracht. Der Pavillon war ein magischer Ort für uns, ein Ort, an dem wir unserer Phantasie freien Lauf lassen konnten.
    Ohne daß wir es vereinbart oder ausgesprochen hätten, wußten wir beide, daß wir, wann immer wir etwas Besonderes tun oder besprechen wollten, zu dem Pavillon gehen würden.
    Wenn wir die drei Stufen hinaufstiegen, hatten wir das Gefühl, die Realität hinter uns zu lassen. Es war ein großer Pavillon, und rundherum war am Geländer eine Bank angebracht. Meine Eltern hatten es weiß und hellgrün streichen lassen. An den Deckenbalken hingen in Abständen kleine Lampen, so daß man ihn nachts beleuchten konnte – was ihn in unseren Augen natürlich noch viel geheimnisvoller erscheinen ließ. Wir waren eigentlich die einzigen, die sich dort aufhielten. Ich konnte mich nicht daran erinnern, daß mein Vater je dort gewesen wäre. Und auch Drake hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, dort zu sitzen. Er verbrachte seine Zeit selbst an warmen Sommertagen lieber in seinem Arbeitszimmer. Nur manchmal, wenn ich gerne hingehen wollte und er nichts anders zu tun hatte, machte er eine Ausnahme. Aber dann beklagte er sich die ganze Zeit über das Ungeziefer und die harten hölzernen Sitzbänke.
    »Wir müssen sowieso zum Pavillon gehen«, sagte Luke. »Ich habe etwas für dich.«
    »Ich für dich auch. Siehst du, es wird ein wunderbarer Tag werden. Herzlichen Glückwunsch.«
    »Herzlichen Glückwunsch, Annie.«
    »Gut, aber laß uns jetzt erst etwas essen, ich komme um vor Hunger. All diese Aufregung macht Appetit.«
    Er lachte, und wir liefen zurück zum Hasbrouck House.
    Was seine Mutter betraf, so hatte Luke sich getäuscht. Tante Fanny kam wie üblich gerade in dem Moment hereingerauscht, als wir uns bereits alle hingesetzt hatten, um mit dem Frühstück anzufangen.
    »Sieht euch ähnlich, daß ihr nicht auf mich wartet«, erklärte sie und stemmte dabei die Hände in die Hüften. Sie trug einen breitkrempigen, schwarzen Satinhut mit einem hellgrünen Band, unter dem ihr Haar hochgesteckt war. Was ihren Kater anging, so hatte Luke anscheinend recht gehabt, denn sie behielt auch im Haus ihre Sonnenbrille auf. Tante Fanny trug oft ausgefallene Kleidung, vor allem, wenn sie uns besuchte.
    Ich nahm an, daß sie damit nur meine Mutter eifersüchtig machen wollte, doch Mammi schenkte Fannys Aufmachung nie besondere Beachtung. Heute trug sie einen kurzen Rock und eine Jacke aus dunkelgrünem Leder und dazu eine grelle pinkfarbene Bluse. Mit ihren bunten Farben erinnerte sie an einen geschmückten Weihnachtsbaum.
    »Wir haben uns mit fast einer halben Stunde Verspätung an den Tisch gesetzt, Fanny«, sagte meine Mutter.
    »Ach, sag bloß?« Schwungvoll legte sie ihren Hut ab und seufzte gekränkt. Dann kam sie auf mich zu und überreichte mir einen in Geschenkpapier gewickelten Karton. »Herzlichen Glückwunsch, Annie, mein Liebes.«
    »Danke, Tante Fanny.« Ich nahm das Paket entgegen und trat zur Seite, so daß ich es auspacken konnte, ohne den Tisch in Unordnung zu bringen. Daddy saß mit versteinertem Gesicht da, den Kopf auf die gefalteten Hände gestützt. Luke starrte auf den Tisch und schüttelte den Kopf. Von uns allen mochte Drake Tante Fanny am meisten. Ich nehme an, sie wußte das, denn sie sah ihn immer an und zwinkerte ihm zu, als bestünde zwischen ihnen ein geheimes Einverständnis. Ihr Geschenk war ein handgeschnitzter
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