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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ganz des Teufels!«
    Paul gehorchte nicht. Ein offenes Fenster war ihm nicht viel nütze, doch konnte es sein, daß es eine letzte Rettungsmöglichkeit bedeutete.
    Joe sagte kein Wort. Er glaubte zu ahnen, was bevorstand. Wer dabei am Leben bliebe und ob überhaupt jemand am Leben bliebe, war so unsicher wie der Ausgang jedes Hazardspieles.
    Paul ließ den Wagen auf hundertzwanzig Meilen gehen. Die Familie geriet in fassungslose Erregung, nicht der Geschwindigkeit an sich wegen, aber über die Art, wie Paul dabei steuerte. Er schien die Gewalt über den Wagen zu verlieren. Bald war er rechts, bald war er links am Straßenrand, bald schien er in wüstes Gelände neben der Straße geraten zu wollen, bald näherte er sich in erschreckender Weise den Abgründen.
    Caroline schrie nur noch unartikuliert. Jerome brüllte: »Paul! Paul!« Vater Bergen rief Joe an. »King, um des Himmels willen, stoppen Sie den Burschen!«
    Aber es war bei einem solchen Tempo und in solchem Gelände äußerst gefährlich, jemanden vom Steuer verdrängen zu wollen, der sich nicht verdrängen zu lassen gedachte.
    Paul setzte die Geschwindigkeit herunter, ließ dabei aber den Wagen nicht auf die nächste scharfe Kurve, sondern auf den Abgrund zu laufen. Angstgeschrei schrillte auf. Der Fahrer öffnete seine Tür und sprang hinaus, ungeachtet der Verletzungen, die er dabei erleiden mußte. Joe riß das Steuer an sich. Er wendete verwegen, kam, mit einem Rad über abschüssigem Gelände hängend, eben noch an dem Abgrund vorbei und fuhr in rasantem Tempo auf die Straße zurück. Er bremste kurz, mit kreischenden Reifen, sprang hinaus und rannte zu der Stelle, wo Paul lag.
    Der Verbrecher war tot. Er hatte sich bei dem Sprung das Genick gebrochen.
    Die drei Mitglieder der Familie Bergen kamen aus dem Wagen heraus, steif, wie mit gelähmten Nerven. Sie standen bei dem Toten. Vater Bergen schüttelte den Kopf.
    »Unbegreiflich. Wahnsinnsanfall?«
    Caroline war weiß wie Kalk.
    »Verdammt, was heißt hier Wahnsinn!« Jerome krächzte, noch halb ohne Atem. »Er springt heraus, und uns läßt er in den Abgrund rollen. Was er damit bezwecken wollte?«
    »Wann haben Sie ihn denn als Fahrer angenommen?« fragte Joe.
    »In Frisco. Für die Fahrt nach Calgary. Wir fuhren schon eine Woche vorher hin, um ein paar Ausflüge in die Rocky Mountains zu unternehmen, ehe das Rodeo begann.«
    »Auf den Ausflügen hat er Sie auch gefahren?«
    »Nein. Er bat um ein paar freie Tage, immerhin verständlich, da wir ihn so plötzlich angenommen hatten. Da er ein ganz außergewöhnlicher Fahrer schien, haben wir ihm die Vergünstigung gewährt.«
    Joe nickte vor sich hin.
    »Was nun?« Doktor Bergen war als Rechtsanwalt nicht unerfahren in Dingen der Polizei und des Gerichts. »Ich schlage vor, daß ich selbst zur nächsten Polizeistation fahre. Dich, Carol, nehme ich mit. Jerome und Sie, Mister King, bleiben hier, bis ich mit der Polizei zur Aufnahme der Spuren und so weiter zurückkomme. Wären Sie damit einverstanden?«
    Joe stimmte zu, aber Jerome protestierte. »Na, hör mal, Daddy, ist es unbedingt nötig, daß wir hier wie zwei Aasgeier sitzenbleiben?«
    »Mein lieber Sohn, es muß ja immerhin einwandfrei festgestellt werden, daß der Bursche hinausgesprungen ist und daß wir ihn nicht etwa hinausgeworfen haben. Nicht?«
    »Daddy!«
    »Daddy!!« Dieser zweite Anruf kam von Caroline. »Wie kannst du überhaupt…!«
    »Die Polizei kann und muß alles. – Mister King, Sie sind vernünftig, wie ich sehe. Wo ist hier die nächste brauchbare Polizeistation?«
    »Fahren Sie nach New City, am besten gleich zu Richter Elgin.« Joe beschrieb den Weg.
    Caroline war heilfroh, daß der Vater sie mitnahm. Jerome ließ sich durch Joes Ruhe beeinflussen. Er nahm ebenso wie dieser auf einem Stein Platz und steckte seine Pfeife an. Joe rauchte eine Zigarette.
    So verbrachten die beiden den Nachmittag, bis endlich der Cadillac wieder erschien, begleitet von einem Jeep. Die Wagen hielten weit entfernt, so weit entfernt, daß die Schlingerspur des Cadillac auf seiner letzten Strecke nicht verdorben und somit einwandfrei aufgenommen werden konnte. Joe und Jerome gingen zu den Wagen. Der Richter war selbst gekommen, begleitet von einem Sheriff und zwei Polizisten.
    Es wurde zunächst alles fotografiert, was mit den Ereignissen irgendwie im Zusammenhang stand. Joe wartete auf die Frage nach Pauls Waffen, die noch im Wagen lagen, aber sie erfolgte zunächst nicht.
    »Haben Sie vor diesem
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