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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Lampen an der Wand über den Betten.
    »Willst du zuerst duschen?« fragte Paul.
    Joe lächelte. »Der weiße Mann hat den Vortritt.«
    »Der Gast der Familie hat den Vortritt, Mister King. Ich bin nur Angestellter.«
    »Nun, Sie wissen, ich bin nichts als ein schmutziger Indianer, unglaublich ungebildet. Ich überlasse Ihnen die Dusche und lege mich gleich zu Bett. Nach guter alter Cowboymanier.«
    Mit den letzten Worten warf sich Joe mit einem überraschenden Schwung angekleidet auf das eine der Betten, so, daß sein Oberkörper aufrecht gegen die Rückwand lehnte. Er hatte eine Pistole bereits schußfertig angelegt, sparte sich aber das ›Hands up‹, da der andere ohne Kommentar wußte, was geschehen würde, wenn er sich auch nur im geringsten rührte.
    »Meine Papiere sind gut. Du hast Vorstrafen«, sagte Paul. »Wenn ich jetzt um Hilfe rufe, bist du es, der vor Gericht kommt, so oder so – wegen Bedrohung oder wegen Mord.«
    »Du wirst nicht um Hilfe rufen, Geoffrey Nicholson, denn dann schieße ich, und wir identifizieren deine Leiche.«
    »Du verwechselst mich.«
    »Du kannst mir ruhig noch mehr erzählen. Bewegungen des Mundes sind gestattet, sofern du sie nicht mißbrauchst, um Unruhe im Hotel zu stiften. Die Gäste haben ihren Schlaf nötig.«
    Joe befand sich in bequemer Lage. Er durfte nur keinen Augenblick in seiner Aufmerksamkeit nachlassen. Paul stand und konnte sich nicht rühren; er mußte müde werden, besonders nachdem er zwölf Stunden gefahren hatte. Nach einer Stunde wurde Paul nervös und fragte: »Was soll der Blödsinn?«
    »Laß mir doch den Spaß. Du stehst da ganz gut.«
    »Soll ich mich an die Wand stellen? Das ist das Übliche in solchem Fall.«
    »Mir nicht ganz unbekannt. Aber ich habe vor dir auch frei im Raum gestanden. Erinnerst du dich?«
    Paul meldete sich erst nach einer weiteren Stunde wieder zu Wort.
    »Sitzt du da nicht unbequem?«
    »Danke der Nachfrage. Es geht. Ich kann mein Spielzeug ziemlich lange halten, ohne einen Krampf zu bekommen.«
    Nach der nächsten Stunde fragte Paul: »Und wie hast du dir das Weitere gedacht?«
    »Bis morgen früh. Dann wird gefrühstückt und zu der Höhle gefahren.«
    »Fahr zur Hölle!«
    »Nach dir oder mit dir. Ich bin jünger als Leslie Johnson.«
    Es verging wiederum eine Stunde. Joe nahm mit der Linken die zweite Pistole heraus und bemerkte: »Ich bin als Linkshänder geboren und schieße heute mit beiden Händen gleich gut. Zucke nicht wieder so unnütz wie eben. Ich mag das nicht.«
    Der andere sparte sich eine Antwort. Seine Wut und Nervosität waren auf einem hohen Grad angelangt. Es fiel ihm tatsächlich schwer, unbeweglich zu bleiben.
    Endlich wurde es wieder hell, doch war es noch sehr früh an diesem Hochsommermorgen. Erst in drei Stunden konnte man mit einem Frühstück im Hotel rechnen.
    »Infames Biest«, sagte Geoffrey-Paul, »aber ich kriege dich noch.«
    Joe wußte, was von seiner Aufmerksamkeit abhing, und ließ nicht nach.
    Als es halb sieben Uhr geworden war, befahl er: »Hands up!« Paul blieb nichts anderes übrig als zu gehorchen. Joe näherte sich ihm vorsichtig, erst noch beide, dann eine Pistole im Anschlag, und holte sich Pauls Waffen, zwei Pistolen und einen Totschläger. Als er diese in Sicherheit gebracht hatte, ließ er Paul abtreten. »Dusche dich, Junge, du hast sicher ein paar Schweißtropfen an dir.«
    Paul zog sich aus und duschte sich, innerlich racheschnaubend und von dem kalten und heißen Wasser nur unzureichend erfrischt.
    Unter Joes Aufsicht zog er sich an. Dann machten sich beide zusammen auf den Weg.
    »Du stinkst«, sagte Paul. »Die Lady wird sich erbrechen, wenn sie den ungewaschenen Indianer riecht.«
    »Du hast eine hübsche Tätowierung, Paul. Ich wußte zwar davon, aber so genau wie eben konnte ich sie noch nie besehen.«
    »Du kannst dich selbst bald als verschmorten Braten fühlen und die Rüben von unten beglotzen.«
    Für Joe war diese Drohung ein Anhaltspunkt für Paul Geoffreys weitere Absichten.
    Paul wurde von Familie Bergen zum Frühstück mit eingeladen. »Sie sehen aber sehr blaß aus«, bemitleidete ihn Carol. »Können Sie fahren, oder wollen wir Mister King einmal ans Steuer lassen?«
    »Aber nicht, ehe ich mich mit dem Cadillac vertraut gemacht habe.« Joe war bescheiden.
    »Nehmen Sie einige Zeit meinen Platz«, bot Daddy Bergen an. Auf diese Weise kam Joe zu dem Sitz neben Paul. Nachdem der Wagen aufgetankt war, fuhren sie los. Joe tat vorläufig gar nichts, als die
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