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Nacht über der Menschheit

Nacht über der Menschheit

Titel: Nacht über der Menschheit
Autoren: Robert Silverberg
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Kommunikator ein. »Schicken Sie Major Cullinan, bitte.«
    Der Psychologe mit den kleinen glänzenden Augen erschien fast augenblicklich. »Nun?«
    »Der Junge bleibt«, sagte Warshow. »Vollständige starrsinnige Fixierung. Sie sind dran – brechen Sie sie.«
    Cullinan zuckte die Achseln. »Wir müssen ihn vielleicht zurücklassen, mehr ist dazu nicht zu sagen. Haben Sie das Mädchen schon kennengelernt?«
    »Kollidorierin, fremdartig, häßlich wie die Sünde. Ich habe ihr Bild gesehen – es hing über seiner Koje, bevor er auszog. Und wir können ihn nicht hier zurücklassen, Major.«
    Cullinan hob eine Augenbraue fragend in die Höhe. »Wir können versuchen, Falk zurückzubringen, wenn Sie darauf bestehen – aber es wird nicht klappen. Nicht, ohne ihn zu verkrüppeln.«
    Warshow pfiff etwas Sinnloses, während er dem ernsten Blick des Psychologen auswich. »Ich bestehe drauf«, sagte er schließlich. »Es gibt keine Alternative.«
    Er schaltete den Kommunikator ein.
    »Lieutenant Krisch, bitte.« Kurze Pause, dann: »Krisch, Warshow hier. Sagen Sie den Männern, daß der Abflug um vier Tage verschoben wird. Molhaus soll die Umlaufbahn neu berechnen. Ja, vier Tage. Vier .«
    Warshow unterbrach die Verbindung, starrte auf den Stapel Papiere über Falk auf seinem Tisch und zog die Brauen zusammen. Psych-Offizier Cullinan schüttelte traurig den Kopf, kratzte sich seinen kahlen Fleck auf dem Kopf.
    »Das ist ein drastischer Schritt, Leon.«
    »Ich weiß, aber ich werde Falk nicht zurücklassen.« Warshow erhob sich, sah Cullinan ungemütlich an und fügte hinzu: »Möchten Sie mitkommen? Ich gehe 'rüber nach Kollidor City.«
    »Wozu?«
    »Ich möchte mit dem Mädchen sprechen«, antwortete Warshow.
     
    Später, in dem verzweigten Netz von sinn- und ziellosen Straßen der fremden Stadt, wünschte Warshow sich, daß er Cullinan befohlen hätte, mitzukommen. Während er sich durch Schwärme von gelassenen, breitgesichtigen, häßlichen Kollidoriern drängte, bedauerte er sehr, daß er allein gegangen war.
    Was sollte er tun, wenn er schließlich die Wohnung erreichte, in der Falk und dieses kollidorische Mädchen lebten? Warshow war es nicht gewöhnt, mit derart planetengebundenen Situationen fertig zu werden. Er wußte gar nicht, wie er das Mädchen anreden sollte. Er glaubte aber, mit Falk umgehen zu können.
    Das Verhältnis von Commander zu Mannschaftsmitglied ist das zwischen Eltern und Kind, sagte das Lehrbuch. Warshow grinste. Er kam sich gar nicht väterlich vor – eher wie ein strenger Kritiker.
    Er ging weiter durch die Straßen. Kollidor City breitete sich vor ihm wie ein Knäuel Bindfaden aus – die Straßen erschienen ihm fast alle völlig sinnlos angelegt. Aber Warshow kannte die Stadt genau – immerhin war das sein dritter dienstlicher Flug in den Kollidor-Sektor; dreimal hatte er Fracht von der Erde gebracht, dreimal darauf gewartet, daß sein Schiff mit Exportgütern von Kollidor beladen wurde.
    Über ihm leuchtete hell die blau-weiße Sonne. Kollidor war der dreizehnte Planet in seinem Sonnensystem; in einer großen Ellipse von etwa vier Milliarden Kilometern Umfang umrundete der Planet sein grelles Muttergestirn.
    Warshow schnüffelte – das erinnerte ihn daran, daß es Zeit war für seine regelmäßige Anti-Pollen-Injektion. Er war bereits gründlich geschützt – wie seine Mannschaft auch – gegen die meisten Formen fremdartiger Krankheiten, die ihm auf dieser Reise begegnen konnten.
    Aber wie schützt du jemanden wie Falk? fragte Warshow sich trübsinnig. Er hatte keine schnelle Antwort dafür parat. Normalerweise war es nicht nötig, Raumfahrer dagegen zu immunisieren, daß sie mit fremdartigen Frauen ein Liebesverhältnis begannen, aber ...
    »Einen schönen Nachmittag, Commander Warshow«, sagte plötzlich eine trockene Stimme.
    Warshow sah sich um, überrascht und verärgert. Der Mann, der hinter ihm stand, war groß, schlank, mit Wangenknochen, die aus einer pergamentartigen, kalkweißen Haut hervorstanden. Warshow erkannte das genetische Muster und den Mann. Es war Domnik Kross, ein Händler aus der früheren terranischen Kolonie auf Rigel IX.
    »Hallo, Kross«, sagte Warshow und blieb stehen, um den anderen aufholen zu lassen.
    »Was treibt Sie in die Stadt, Commander? Ich dachte, Sie bereiten Ihren Abflug vor?«
    »Wir ... fliegen vier Tage später.«
    »Oh ... haben Sie nicht ein paar Tips, die sich lohnen? Nicht, daß ich sonderlich interessiert ...«
    »Da wird nichts draus,
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