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Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)

Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)

Titel: Nacht ist der Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Peter Stamm
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schloss die Augen und wartete darauf, dass er sie küsste. Aber er erzählte weiter. Ihre Träume hätten nicht verschiedener sein können, doch seine Begeisterung riss sie mit. Als sie zurückgingen, streifte Gillians Arm einige Brennnesseln. Edo betrachtete die gerötete Stelle. Er zögerte einen Moment, dann hob er ihren Arm zu seinem Mund und küsste ihn. Es war, als hätte sie auf diesen Moment gewartet. Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
    Edo, rief der Lehrling noch einmal, deine Freundin ist hier! Dann drehte er sich zu ihr und sagte, wir gehen alle zusammen baden, hast du Lust mitzukommen? Baden? Jetzt? Sie lachte ungläubig.
    Edo trat heraus und küsste sie kurz auf den Mund. Sie rauchten schweigend. Die Köche kamen einer nach dem anderen aus der Küche, verabschiedeten sich und verschwanden in der Dunkelheit. Zuletzt ging der Chef. Er solle nicht vergessen abzuschließen, sagte er zu Edo, er sei verantwortlich.
    Kommt, sagte Edo zu ihr und zu seinem Kollegen, als der Chef gegangen war. Drinnen waren drei Lehrlinge am Putzen, ein großer Bursche mit pickligem Gesicht, ein kleinerer, der noch wie ein Kind ausah, und ein rundliches Mädchen mit dünnen Zöpfen.
    Kommt, sagte Edo noch einmal. Sie holten im Vorratsraum zwei Literflaschen Kochwein. Edo ging voran durch enge Korridore, dann traten sie durch eine Metalltür und gelangten in einen Hotelflur. Sie kicherten und schlichen durch den Flur. Vor einer Tür mit der Aufschrift Schwimmbad blieb Edo stehen.
    Drinnen war es stockdunkel und es roch nach Chlor. Gillian spürte, wie jemand nach ihrer Hand tastete und sie festhielt. Achtung, Stufen. Dann standen sie plötzlich vor dem Pool. Durch die großen Fenster drang ein wenig Mondlicht herein. Draußen war der Park zu erahnen, dunkle Bäume und Sträucher. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass die anderen bereits dabei waren, sich auszuziehen. Sie ließen die Kleider zu Boden fallen und rannten gebückt zum Becken und ließen sich hineingleiten. Dann schauten sie gespannt zu den beiden Mädchen. Die Köchin war nur noch in Unterwäsche, ihre Brüste waren riesig, ihre Hüften breit. Sie zog sich ganz aus und ging mit erstaunlicher Grazie zum Becken und die Treppe hinunter ins Wasser. Die Burschen hatten sich ihr zugewandt, und gemeinsam schwammen sie zur Fensterfront auf der anderen Seite des Pools. Gillian nutzte diesen Moment, um sich ebenfalls auszuziehen und ins Wasser zu steigen. Edo löste sich von der Gruppe und schwamm zu ihr hin. An die nächste Stunde konnte sie sich später nur vage erinnern, an Küsse und Berührungen und Geflüster. Die anderen Lehrlinge stiegen aus dem Wasser, sie jagten sich um das Becken herum, aber sie passten auf, keinen Lärm zu machen. Sie sah, wie der Junge mit den langen Haaren am Beckenrand mit dem dicken Mädchen rang, sie befreite sich, rannte mit keuchendem Lachen ein paar Schritte davon. Der Junge hatte sie eingeholt, wieder rangen sie miteinander. Später verschwanden sie in einem Flur in der Dunkelheit. Die beiden anderen Lehrlinge hatten sich auf Liegestühle gelegt und reichten sich eine Weinflasche hin und her. Edo küsste Gillians Hals, und sofort vergaß sie die anderen. Sie schloss die Augen, er umarmte sie, sie ließ es zu, aber sie wagte nicht, ihn zu berühren. Er hörte auf sie zu küssen, legte seinen Kopf auf ihre Schulter, als brauche er ihn nicht mehr. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie spürte seine Hand. Sie wurde hochgehoben, bis sie fast im Wasser lag. Plötzlich ein kurzer, aber heftiger Schmerz, dann war er in ihr. Sie empfand keine Lust, aber ein Gefühl der Körperlichkeit wie selten zuvor. Danach blieb eine Leere, die vorher nicht dagewesen war.
    Sie stieß sich von der Wand des Beckens ab und schwamm zur Treppe. Edo folgte ihr. Nebeneinander saßen sie auf einer der obersten Stufen im seichten Wasser, ruderten mit den Armen, so dass sie sich wie zufällig berührten. Ich liebe dich, hatte er es gesagt oder hatte sie es nur gedacht? Ich liebe dich, flüsterte sie und er, ich dich auch. Plötzlich schien blaues Licht auf, sie war kurz verwirrt, dann merkte sie, dass es aus dem Wasser kam. Einer der Lehrlinge hatte die Poolbeleuchtung eingeschaltet. Der andere sprang vom Liegestuhl auf und lief, die Weinflasche in der Hand, zu ihm hin und die beiden kämpften um den Lichtschalter. Sie unterbrachen ihren Kampf immer wieder, um einen Schluck aus der Flasche zu nehmen. Edo hatte sich auf den Bauch gedreht. Sie sah ihren und
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