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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Blicken ab, bis Alcy sich wie ein besonders interessanter Stoffballen vorkam.
    Zeugen der Verehelichung ihres Herren, dachte Alcy, und war sich des gut aussehenden Mannes, dieses Fremden an ihrer Seite, schmerzlich bewusst. Was für einen heruntergekommenen, zerzausten Eindruck musste sie jetzt neben ihm machen! Was dachte sich der Baron dabei, sie beide einen solchen Anblick abgeben zu lassen? Sie sah ihn von der Seite an, aber sein offener Gesichtsausdruck zeugte von Zufriedenheit, sein Lächeln hatte einen Anflug von Arroganz und diesen Hauch von Sinnlichkeit, der bei ihm normal zu sein schien. Das flatternde Gefühl im Magen, nervös, befremdlich und angespannt konzentriert, wie es Alcy verspürte, hatte er offenkundig nicht. Er fürchtete nicht, beim nächsten Schritt zu stolpern, ihm war nicht heiß und kalt zugleich. Alcy biss sich auf die Unterlippe, als er auf den Altar zuging, der plötzlich ihre ganze Welt zu vereinnahmen schien. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen?
    Sie schritt neben ihm auf den Altar zu und staunte, dass ihre wackeligen Beine sie trugen. Sie musste das Schweigen zwischen ihnen brechen, ihn zum Reden bringen, oder sie würde die Nerven verlieren. Sie war im Austeilen von Nettigkeiten
nie gut gewesen, und sie wusste auch nicht, ob sie zu dem passten, was man durchaus als ihren Hochzeitsmarsch hätte bezeichnen können, aber irgendetwas musste sie sagen, sonst verlor sie die Fassung.
    »Die Kapelle ist wirklich bezaubernd«, brachte sie schließlich heraus.
    »Ach ja?«, erwiderte der Baron. Alcy konnte seinem Tonfall nicht entnehmen, ob er es ernst meinte, doch als sie zu ihm aufschaute, sah sie einen Anflug von Belustigung über sein Gesicht huschen, der ihn jünger aussehen ließ, ein paar Jahre älter nur als sie und so spitzbübisch, dass sich ihre Mitte plötzlich sonderbar verspannt und schwer anfühlte.
    »Ja, wirklich«, erwiderte sie und zwang sich, neutral zu klingen, obwohl sie sich nicht sicher war, ob der Wortwechsel sie beruhigt oder nur weiter verunsichert hatte.
    Als sie den Blick wieder nach vorne wandte, sah sie, dass der Pfarrer sie bereits erwartete; sie war so auf den Altar fixiert gewesen, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte. Der Priester trug einen Bart und die hohe schwarze Kopfbedeckung der orthodoxen Christen.
    Alcy sah den Baron durchdringend an. »Ich dachte, Sie seien römisch-katholisch.«
    »Das Banat ist eine Region, die noch nicht allzu lange zu Österreich gehört«, sagte er milde. »Traditionsgemäß sind wir hier eher nach Konstantinopel ausgerichtet als nach Rom. Oder eigentlich vor allem auf uns selbst, auch wenn wir immer dem östlichen Ritus gefolgt sind.« Alcy empfand wieder diese sonderbare Heiterkeit – und darunter vielleicht einen Anflug von unerklärlichem Bedauern.
    Sie presste irritiert die Lippen zusammen und versuchte
erst gar nicht, ihre Gefühle auseinanderzudividieren. »Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass ich das Recht habe, zumindest zu erfahren, zu welcher Religion ich übertreten soll?«, zischte sie.
    »Hätte das denn einen Unterschied gemacht?« Das Amüsement in seinen hellblauen Augen paarte sich jetzt mit einer hochmütigen Herablassung, die an ihren ohnehin angespannten Nerven zerrte. »Wenn Ihnen die Religion Ihrer Väter so wenig bedeutet, dass Sie sie für eine gute Partie an Rom verkauft hätten, dann frage ich mich, warum Sie große Bedenken haben sollten, den orthodoxen Glauben anzunehmen.«
    Alcy machte erbost den Mund auf und setzte zu einer beißenden Replik an, als ihr aufging, dass sie drauf und dran war, keine zehn Minuten, nachdem sie ihn kennengelernt hatte, mit ihrem Verlobten zu streiten – und das während der Hochzeitszeremonie – und dass sie, seit sie ihn getroffen hatte, in der Tat nur gestichelt hatte. Sie haben alle miteinander recht, dachte sie mit einem Anflug von Verzweiflung. Ich tauge meines Temperaments wegen nicht zur Lady, und nur ein Narr, ein Verzweifelter oder ein Fremder würde mich zur Frau nehmen.
    Sie suchte nach etwas Besänftigendem, einer nichtssagenden, konventionellen Bemerkung, um die Kluft zu überbrücken, die sich bereits zwischen ihnen auftat, aber sie waren mittlerweile am Altar angelangt, und der sich nähernde Priester hinderte sie daran.
    Alcy nickte ihm einen höflichen Gruß zu. Jetzt, da ihre anfängliche Irritation sich gelegt hatte, hinterfragte sie im Geiste die objektiven Tatsachen. Warum hätte der Baron sie über seine Glaubenszugehörigkeit
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