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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Stimme hatte einen panischen Unterton, sie beugte sich aus der Sänfte und suchte nach ihm.
    »Hier bin ich. Es geht mir gut«, sagte er. »Mach die Tür zu und halte dich fest. Wir rennen.«
    Und das taten sie wirklich. Die Träger legten trotz des Gewichts der Sänfte ein scharfes Tempo vor, und Dumitru
lief nebenher. Ein Stück weit entfernt herrschte Aufruhr. Soldaten brüllten und feuerten ihre Pistolen ab, während Anwohner in nah und fern die Fenster aufrissen und auf alles und jeden fluchten. Die beiden Führer liefen nicht mehr im Zickzack durch die Straßen, sondern hasteten zielstrebig in eine Richtung.
    »Wohin laufen wir?«, wollte Dumitru wissen.
    »Zum Meer«, sagte der Führer. »Durch das Tor.«
    Sie bogen scharf ab, und Dumitru fand sich an der altertümlichen Befestigungsmauer auf der Seeseite der Stadt vor einem Torbogen wieder. Der halb verfallene Bogen wies keine Tür auf, und so nahmen die Männer Tempo auf, um durch den Engpass zu sprinten. Auf der anderen Seite lag das öde Land, das zur See hin abfiel, wo ein großes Beiboot mit vier Männern an Bord auf das Ufer zusteuerte. Dahinter, draußen auf dem Schwarzen Meer, lag reglos ein Handelsschiff vor Anker, eine dunkle Silhouette vor dem Sternenhimmel.
    »Macht euch davon«, sagte der Führer und entschwand durch das Tor in die Schatten der Stadt.
    Die Träger setzten die Sänfte ab, und Dumitru öffnete die Tür. »Komm«, sagte er und fasste nach Alcy.
    Die Hand, die nach seiner griff, war kalt, aber ruhig. Alcy stieg aus der Sänfte und blinzelte ins Mondlicht, dann stieß sie einen fassungslosen Schrei aus und stürzte auf das Beiboot zu. Dumitru hielt mit ihr Schritt. Als sie das Wasser erreicht hatten, schwang er sie auf seine Arme und trug sie die letzten paar Schritte zum Boot. Er setzte sie hinein, dann kletterte er hinterher und bückte sich noch einmal kurz, um Hände und Messer abzuwaschen. Als er im Boot saß, legten sich die Matrosen ins Zeug und ruderten mit
voller Kraft zum Schiff. Am Ufer schwangen die Träger die Sänfte hin und her und ließen sie beim dritten Mal am höchsten Punkt los, sodass sie in hohem Bogen ins tiefe Wasser flog, wo sie platschend unterging. Die Männer liefen durch den Torbogen und verschmolzen mit der Dunkelheit.
    Dumitru betrachtete über die Schultern der Matrosen den großen Handelssegler, der mit jedem Schlag näher auf sie zukam.
    »Die Männer, die uns angegriffen haben …«, sagte Alcy mit erstickter Stimme. »Sie sind doch tot, oder?«
    Er sah sie an. Sie starrte ihn mit entsetzten Augen an, der Schleier hing ihr lose ums Gesicht. Er selbst hatte sowohl den Schleier als auch den Überwurf auf der Flucht verloren. »Die meisten von ihnen schon«, gestand er und zog sie fester an sich, während mit erschreckender Lebendigkeit das Blut des Mannes vor seinen Augen erstand.
    »Ich wünschte, dem wäre nicht so, aber schließlich hast du sie alle nur getötet, um dein eigenes Leben zu retten«, sagte sie.
    »Ich weiß«, erwiderte Dumitru. Er hatte noch nie zuvor einen Menschen umgebracht, und in all den Jahren, die er als Spion tätig gewesen war, hatte er nie den Befehl gegeben, jemanden zu töten. »Ich wünschte, es hätte einen anderen Weg gegeben.«
    »Selbstverteidigung. Wir haben getan, was wir tun mussten, und sie haben getan, was ihnen befohlen wurde«, sagte sie. Dumitru drückte sie fest an sich, weil sie einen Teil der Blutschuld auf sich genommen hatte, indem sie wir gesagt hatte. Tapfere, noble Alcy.
    »Ich liebe dich«, murmelte er in ihr Haar.

    »Und ich weiß nicht, wie ich dir erklären soll, wie sehr ich dich liebe«, flüsterte sie zurück. »Weil ich mich nämlich selbst noch nicht richtig verstehe.«
    In nicht einmal einer Minute waren sie neben dem Schiff und kletterten über eine schwankende Leiter an Deck.
    »Willkommen an Bord der Good Queen Bess «, rief eine fröhliche Stimme auf Englisch, und ein Mann in Offiziersuniform kam auf sie zu. »Wir setzen Segel, sobald das Beiboot gesichert ist. Wenn der Sultan auf die Idee kommt, dass es vielleicht gut wäre, die Meerenge abzuriegeln, sind wir längst auf offener See.«
    Dann marschierte er davon und brüllte unverständliche Befehle, während um sie herum die Matrosen ausschwärmten und das Deck plötzlich im Licht Dutzender Laternen schimmerte.
    »Es ist tatsächlich vorbei, oder?«, fragte Alcy benommen.
    »Ein Teil bestimmt«, pflichtete Dumitru ihr bei. »Aber ich glaube, es handelt sich eher um einen Anfang als um
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