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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Kerkers. Dumitru spannte sich an, das Messer in der Hand. Ein Fluchtversuch war keine gute Idee. Sollte er sich lieber gleich den Hals durchschneiden und dem Ganzen ein Ende bereiten? Oder sollte er versuchen, das Messer zu verstecken und riskieren, selbst dieser Erlösung verlustig zu gehen?
    Die Schritte kamen vor seiner Zelle zum Halten. Benutze es, so du musst.
    Nach entsetzlichen Sekunden der Ungewissheit – der Kerkermeister klirrte schon mit den Schlüsseln -, warf Dumitru das Messer in den Toiletteneimer, wo es in den Urin platschte. Der Schlüssel war jetzt im Schloss, und Dumitru sackte genau in dem Augenblick, als die Tür aufging, nach hinten zurück.
    Der Mann unter der Tür lächelte, als das Licht seiner Lampe auf die leere Schüssel und den halb leeren Krug fiel. Es war nicht der Kerkermeister von vorhin, sondern ein anderer Mann. »Irgendwer scheint dich hier zu mögen«, stellte er in geschliffenem Arabisch fest. Er warf Dumitru etwas zu, und der fing es mit gefesselten Armen auf. Es war Stoff. Eine ganze Armladung Stoff. »Irgendwer scheint dich wirklich zu mögen. Ich nehme dir jetzt die Fesseln ab.«
    Der Mann schob die Tür halb zu, zog einen weiteren
Schlüssel heraus und befreite Dumitrus Handgelenke von den Fesseln. Dumitru entfaltete den Berg Stoff und fand einen Rock im westlichen Stil mit türkischem Überwurf und Schleier. Sie wollten ihn als Haremsdame verkleidet aus dem Palast schmuggeln. »Ich bin zu groß«, protestierte er.
    Der Mann kicherte. »Mit etwas Glück sieht dich ja niemand genauer. Ohne Glück sieht dich überhaupt keiner mehr.«
    Dumitru holte sich sein Messer zurück und rieb es am Überwurf trocken, bevor er es in den Hosenbund steckte. »Also dann mit Glück«, sagte er.
    Der Gang zu seiner Zelle schien eine Ewigkeit gedauert zu haben, aber draußen war er in wenigen Augenblicken. Der Wachraum war leer – die Wärter waren offenkundig bestochen worden, woanders hinzugehen. Konnte Alcy in so kurzer Zeit wirklich so viel bewerkstelligt haben?, fragte er sich. Oder handelte es sich um eine Art Scherz, den der Sultan zu seiner eigenen Unterhaltung organisiert hatte?
    Bevor er noch zu einem Schluss gekommen war, stand er auch schon wieder in dem kalten Innenhof, wo ein paar Schritte entfernt im Schatten eines Baumes eine Sänfte wartete. »Beeil dich«, sagte der Mann mit einem Anflug von Ironie in der Stimme. »Die Schwester deiner Herrin liegt im Sterben.«
    Dumitru brauchte keine weitere Aufforderung. Einer der Träger öffnete die Tür, er stieg hinein und sah in Alcys Augen, die dunkel im Mondlicht schimmerten. Die Tür klickte zu, und sie riss ihn in ihre Arme, zog ihrer beider Schleier nach unten und küsste ihn mit der ganzen Kraft ihres Körpers. Ihr Mund schmeckt nach Freiheit, wütend und wild, und er wollte sie nie mehr loslassen.

    Endlich gab sie ihn frei, legte ihm einen Finger auf die Lippen. Er begriff, dass sie sich in Gang gesetzt hatten. Er nickte und zog den Schleier wieder nach oben. Sie tat es ihm gleich, und sie sanken hinten auf die Polsterbank.
    Sie hielten an. Die Sänfte musste das innere Tor erreicht haben. Dumitru spannte sich an, seine Hand wanderte an das Messer. Ein Ruf ertönte, und einer der Träger raschelte mit Papier – offiziellen Dokumenten oder lediglich gut gemachten Kopien? Er wusste es nicht, wagte nicht zu spekulieren. Nach einem Augenblick, der eine Ewigkeit zu dauern schien, knarrte das Tor und ging auf. Er hielt den Atem an. Alles, was er in der Dunkelheit von Alcy sehen konnte, war ein Streifen weiße Haut. Sie bewegten sich vorwärts, Sekunde um Sekunde – die reinste Nervenprobe. Vor seinem inneren Auge sah Dumitru, wie sie sich dem Tor näherten, dort ankamen … Und schließlich hatten sie es passiert! Sie mussten es passiert haben, denn Alcy machte die Augen zu und ließ sich hinten auf die Bank zurücksinken. Dumitru fing wieder an zu atmen. Ein Tor noch, dann waren sie mitten in der Stadt.
    Wieder blieben sie stehen, wieder kamen der Ruf und das Rascheln, und wieder hörten sie das Tor aufgehen. Die Träger marschierten los, die Sänfte schwankte bei jedem Schritt, und dann waren sie draußen im Herzen der dunklen Stadt und auf halbem Weg in die Freiheit.
    »Du lebst«, keuchte Alcy unsinnig und glücklich in sein Ohr. »Haben Sie dir wehgetan?«
    »Nein«, flüsterte Dumitru zurück. »Dazu hatten sie keine Gelegenheit. Wie hast du das geschafft? Was hast du versprochen – und wem?«
    Sie gab einen kleinen Laut
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