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Nacht des Verfuehrers - Roman

Nacht des Verfuehrers - Roman

Titel: Nacht des Verfuehrers - Roman
Autoren: Lydia Joyce Gabi Langmack
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Mädchen.« Doch irgendwie mangelte es dem Rüffel an Überzeugungskraft, und etwas in den Augen des Admirals sagte Alcy, dass er genauso erpicht auf ihre Geschichte war wie der junge Mr. Boyd.
    »Wenn es Sie nicht zu sehr belastet, wäre ich gleichfalls an Ihrer Geschichte interessiert«, sagte Sir Edward mit warmer, tröstlicher Stimme, und Alcy konnte nicht anders, als Zutrauen zu fassen. Nun, jedenfalls war das eine Geschichte, die sie nur allzu gern erzählte.
    »Es macht mir nichts aus«, versicherte sie mit leiser Stimme, die auf die großen Gefühle hindeuten sollte, die
sie kaum noch zurückzuhalten vermochte. Es war leichter als gedacht, aber sie musste dennoch einen Moment innehalten, um sich mit aller Kraft zu sammeln.
    Sie fing an zu sprechen und erzählte eine Geschichte, die nicht der entsprach, die sie für den Knez zusammengereimt hatte, und auch nicht der, die irgendwie das Haus des Beylerbey in Sofia erreicht hatte; aber der Wahrheit entsprach sie auch nicht, denn die wäre viel zu kompliziert und intim gewesen. Stattdessen erzählte sie von einer Entführung, die halb eine Rettung gewesen war, von einer Ehe voller allzu hastiger Leidenschaft und einem schrecklichen Geheimnis, das sie allerdings nur andeutete, denn die Zuhörer sollten ihre Phantasie ruhig spielen lassen – ein Geheimnis, das sie ihr neues Zuhause hatte verlassen lassen. Sie erzählte von Gefangennahme und Versöhnung und ließ durchblicken, dass das schreckliche Geheimnis – worum auch immer es sich gehandelt haben mochte – sich in Wohlgefallen aufgelöst habe, sodass dem Eheglück nun nichts mehr im Wege gestanden hätte; und sie erzählte von den ritterlichen Versuchen ihres Ehemannes, sie zu schützen und zu retten, wobei sie seine erneute Gefangennahme in Sofia als nobles Opfer beschrieb, das ihr das Leben gerettet hatte.
    Während sie sprach, behielt sie unter gesenkten Wimpern ihr Publikum im Auge. Der Sultan sah nicht in ihre Richtung, schien sie nicht zu bemerken, und selbst sein Gefolge wirkte so teilnahmslos, dass Alcy mutmaßte, sie verstünden nicht gut genug Englisch, um ihr überhaupt folgen zu können. Lady Bunting hatte einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht, als lese sie ein wenig zu akkurat in jenen Passagen, die Alcy überspielte. Doch ihr Ehemann
hatte feuchte Augen, und der Dichter war hingerissen – nur im künstlerischen Sinne allerdings, dessen war sie sich sicher. Mr. Boyd war – wie vorauszusehen – begeistert, aber es war Sir Edwards Reaktion, die Alcy am vielversprechendsten erschien. Er fokussierte sie mit scharfem Blick und hörte so konzentriert zu, wie es Alcy nie zuvor erlebt hatte. Es machte sie ein wenig nervös, und sie ertappte sich dabei, wie sie zu schnell sprach und zu viel erzählte, bevor sie ihre Emotionen wieder in den Griff bekam und ihre Worte unter Kontrolle hatte.
    Sie kam erleichtert zum Ende, und während des anschließenden respektvollen Gemurmels hob der Sultan die Hand, und zum Klang von Fanfaren wurde das Essen aufgetragen. Von den westlichen Gästen schien keiner das Arrangement für bizarr zu halten. Lady Bunting führte sie einfach nur zum Tisch und platzierte auch die übrigen Gäste. Alcy saß zwischen Mr. Boyd und Sir Edward, ihr gegenüber Mr. Roux und der Admiral. Lady Bunting nahm den Platz der Gastgeberin am Kopfende der Tafel ein, das andere Kopfende blieb symbolisch frei – für den Sultan, ihren Gastgeber? Jedenfalls stieg der Potentat nicht von seinem Podium herab, sondern sah nur mit kalten Augen zu, wie zwei Diener einen niedrigen Tisch vor ihm aufbauten und ihm dasselbe Essen servierten wie den westlichen Gästen auch.
    Die Gespräche am Tisch waren gedämpft und ungewöhnlich prosaisch, und nur der Sultan wirkte wirklich entspannt. Admiral Bunting, Mr. Roux und Mr. Boyd erzählten sich von ihren Heldentaten auf der Jagd, während Lady Bunting mit Alcy unverfänglich über die neueste Mode plauderte, über die sie ganz offenkundig nicht im
Bilde war, selbst wenn sie sich von einem feinen Londoner Schneider einkleiden ließ. Alcy hatte das Gefühl, dass die Frau des Admirals sich in etwa so fühlte wie sie selbst, wenn sie versuchte, über Hunde oder Hetzjagden zu reden. Also steuerte Alcy das Gespräch sanft in Richtung Pferderennen und sprach von irgendwelchen Rössern, die sie nie gesehen hatte. Obwohl Sir Edward in andere Gespräche verwickelt war, spürte Alcy doch oft, wie er sie ansah, und sie sandte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie die Aura
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