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Nacht der Dämonen

Titel: Nacht der Dämonen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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Springbrunnen im mittleren Hof der Tempelbauten. Sost war ein Freund – nichts weiter, und durfte für sie auch nicht mehr sein. Harmlose Freundschaften in der Öffentlichkeit waren zwischen Tempeljungfrauen und Priestern nicht verboten, obgleich sie nicht gern gesehen wurden. Kam es jedoch zu mehr, wurden jene, die ihre Jungfräulichkeit verloren, streng bestraft: man setzte sie in der öden Steppe aus.
    Tiamu verdrängte den schlimmen Gedanken – denn sie sah Sost bereits. Wie üblich wartete er, halb liegend, auf der niedrigen Marmorbrüstung um den Brunnen. Sein dunkles Haar hing ihm bis zu den Schultern, das bedeutete, dass er seine Akoluthenzeit bereits hinter sich gebracht hatte. Er war etwa fünf Jahre älter als das Mädchen. Der Saum seines weißen Gewandes war mit einer breiten Borte verziert, auf die abwechselnd die Namen des Gottes Mitra und des Propheten Muthsa gestickt waren.
    Abwesend strich Tiamu eine in die Stirn hängende Locke ihres Blondhaars zurück und rügte sich stumm ihrer Eitelkeit wegen. »Sost …«
    »Tiamu – schön dich zu sehen.« Ein warmes, offenes Lächeln verzauberte das schmale Gesicht des jungen Priesters. »Komm, setz dich. Wie üblich haben wir nicht viel Zeit, uns zu unterhalten, fürchte ich.«
    »Oh, Sost – wir haben gar keine Zeit. Ich brauche deine Hilfe. Tust du mir einen Gefallen?«
    Sost musterte sie, und sein Lächeln verschwand. »Du hast immer noch Angst, nicht wahr? Angst, dass – dass …«
    »Dass ich als nächste an die Reihe komme, ja. Sost, du bist Priester des Propheten Muthsa. Hast du etwas über die rothaarige Frau gehört, die heute gefangen genommen wurde?«
    »Ja, aber was hat das mit dem anderen zu tun?«
    Tiamu senkte die Stimme. »Entsinnst du dich der Prophezeiung über den Flammenhaarigen, der aus dem Norden kommen soll?«
    Sost blickte sie kurz erstaunt an, dann lachte er.
    »Oh, Tiamu! Die Prophezeiung spricht von einem Krieger!«
    »Nun, die Rothaarige ist eine Kriegerin. Als Mann hast du nicht daran gedacht, dass es auch eine Frau sein könnte. Aber Hefei ist der Gedanke sofort gekommen, dessen bin ich sicher – und anderen zweifellos ebenfalls.«
    Sost rieb das glatte Kinn. »Seltsam, aber auf diese Idee bin ich tatsächlich nicht gekommen! Natürlich kann auch eine Frau ein Krieger oder vielmehr eine Kriegerin sein. So genau geht das aus der Prophezeiung ja nicht hervor. Doch vielleicht hoffst du nur, dass sie die Prophezeite ist.«
    »Und wie sehr ich es hoffe!« Tiamus Augen wirkten traurig und besorgt.
    Der Priester seufzte. »Welchen Gefallen kann ich dir tun?«
    »Ich muss Einblick in die Karte der Gänge unter der Stadt nehmen.«
    Sost schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich. Nur die höheren Adepten und Priester haben Zugang zu den Karten, doch sie dürfen kein Wort darüber verlauten lassen.«
    »Du bist ein höherer Adept!«
    »Du erstaunst mich immer mehr, Tiamu. Was hast du vor?«
    Das Mädchen blickte auf die Steinplatten zu ihren Füßen. »Ich kann es dir nicht sagen, Sost. Es wäre dir gegenüber nicht anständig.«
    »Mit anderen Worten: dein Plan ist ungesetzlich.«
    »Oh, Sost, ich fürchte, ich habe mich dir gegenüber bereits falsch benommen. Ich darf dich nicht bitten, gegen deinen Schwur zu verstoßen …«
    Der junge Mann lachte kurz und unpriesterlich in seiner rauen Herzhaftigkeit. Tiamu blickte ihn verwirrt an.
    »Du kennst mich nicht sehr gut«, sagte er und schaute das Mädchen eindringlich an. »Ich bin nicht in dieser Stadt aufgewachsen, wie du weißt – ich bin ein Fremder und habe erkannt, dass ich einem höheren Ziel mehr verbunden bin als meinem Priestertum, irgendwelchen Göttern oder Propheten. Doch genug davon. Die Karten werden in der Bibliothek von Mophis’ Stellvertreter Uss aufbewahrt, der auch Hüter der Schriften ist, ein griesgrämiger alter Mann, aber er weiß, dass ich wissensdurstig bin und gestattet mir zu studieren, wann immer ich Lust verspüre. Ich kann jede Auskunft, die du brauchst, besorgen. Ich stelle nur eine Bedingung.«
    »Welche Bedingung, Sost?«
    »Du musst mir versprechen, dass du, was immer du auch vorhast, dich nicht in Gefahr bringt.«
    Tiamu wandte das Gesicht ab. »Oh, Sost, ich bin in Gefahr. Vielleicht sind wir alle es. Ich muss tun, was ich tun muss – und mehr kann ich dir nicht sagen.«
    Sost stand auf und blieb gedankenversunken stehen.
    »Gut«, sagte er schließlich. »Was möchtest du herausfinden?«
    Tiamu sagte es ihm.
    »Ich verstehe«, murmelte der
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