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Nacht der Dämonen

Titel: Nacht der Dämonen
Autoren: David C. Smith & Richard L. Tierney
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sich hinsummend in einer Hand. Die anderen Soldaten achteten nicht auf ihn. Sie fingen an, raue Witze zu erzählen und ihre Tagesration hervorzukramen. Peth warf die Knöchelchen auf den Boden und beugte sich darüber, um sie zu lesen.
    »Was meint Ihr, Mophis?« fragte Hefei ihren ältesten Seher und Priester.
    Sie hatten es für geziemend gehalten, die Opfer zu begutachten, die am vergangenen Abend vor die Stadtmauer gebracht worden waren. In Begleitung ihres Gefolges aus Stadtvätern, Priestern und Priesterinnen hatte sie sich in einer prunkvollen Sänfte durch die dämmrigen Straßen zur Nordmauer und durch das dortige Tor zu den sechs Pflöcken tragen lassen, an die die blutigen Toten gebunden waren.
    Hefei war eine gewichtige Frau in farbigen Gewändern, mit kostbarem Geschmeide von kunstvoller Arbeit, das in krassem Gegensatz zu dem Anblick der armseligen Stadt stand. Fleischfalten hingen von ihren Wangen, dem Kinn, den Armen und dem Bauch. Ihr nur noch teilweise schwarzes Haar war zum größten Teil grau mit einzelnen Silbersträhnen durchzogen. Tränensäcke hingen unter ihren Augen, die selbst erstaunlich klar waren.
    Mophis war hochgewachsen, dürr und gespenstisch bleich. Sein Kopf war kahlgeschoren, die Fingernägel trug er lang und bemalt. Wenn er sprach, klang seine Stimme lispelnd und ruhig. Nachdenklich musterte er die traurigen Überreste der sechs geopferten Mädchen. Das Blut war ihren Körpern entsogen, die Haut gespannt und fleckig. Die winzigen Aaskäfer hatten bereits mit ihrer Arbeit begonnen.
    »Ich glaube«, erwiderte Mophis – so laut, dass alle es hören konnten – »dass unser Ritual erfolgreich war. Die Erdwesen scheinen erfreut zu sein – sie nahmen unser Opfer an. All diese Toten sind blutleer.«
    »Dann sind die Dämonen hier zufrieden?« erkundigte sich Hefei aus ihrer Sänfte.
    »Ja – im Augenblick.« Mophis nahm den Blick nicht von den ausgetrockneten Leichen an den Pflöcken. »Doch ein weiteres solches Opfer in der Vollmondnacht dürfte vonnöten sein.«
    »Ihr müsst ganz sicher sein, Mophis!« Hefeis Stimme hob sich wie vor innerer Erregung. »Ihr habt versprochen, dass ihre Fresszeit abgewendet würde. Mit der ständigen Bedrohung durch das Erdvolk kann unsere Stadt nicht bestehen.«
    »Ich werde meine Berechnungen noch einmal überprüfen, neue Orakel befragen und aus dem Rauch lesen, o Gebieterin«, versicherte ihr Mophis. Er schaute zu ihr hoch, und Besorgnis sprach aus seinem Blick. »–Aber fürchtet nicht – selten irren meine Vorhersagen.«
    »Selten …«, begann Hefei, unterbrach sich jedoch. Es war besser, nicht in der Öffentlichkeit davon zu sprechen, falls der Priester tatsächlich selbst nicht sicher war. Mophis hatte manchmal eine etwas sonderbare Art. Sie warf ihm einen warnenden Blick zu, damit er nicht weiterrede, und klatschte in die Hände, um in die Stadt zurückgebracht zu werden.
    Aber als sie den Platz hinter dem Nordtor erreichten, mussten ihre Träger stehen bleiben, denn auf der Straße herrschte ein wildes Gedränge. Soldaten behinderten ihren Weiterzug. Manche brüllten anspornend. Hefei steckte den Kopf aus ihrer Sänfte und streckte den Hals, konnte jedoch nur wenig sehen. Offenbar fand vor dem Kasernengebäude ein Zweikampf statt. Das Klirren von Klingen und hin und wieder höhnische, aber auch anspornende Rufe erklangen.
    »Erstich sie, Perith!«
    »Zeig’s ihm, Mädchen!«
    »Rothaarige Hexe! Meinen Freund töten! Das wirst du mir büßen …«
    Wut- und Schmerzensschreie waren zu hören, dazu Gelächter und Gehöhne.
    Über den Lärm schmetterte eine Trompete. Eine laute, gebieterische Stimme erschallte: »Schweigt jetzt! Im Namen von Hefeis Ehrengarde befehle ich es!«
    Auch jetzt verstummte das Stimmendurcheinander noch nicht völlig. Erst als Hefeis Sänfte in Sicht kam, setzte Stille ein. Nur das Rasseln von ein paar Schwertern war noch zu vernehmen.
    Schriller, wie verärgert, schmetterte das Horn nun.
    »Was ist hier los?« erkundigte sich Hefei scharf. »Träger, stellt die Sänfte ab!«
    Sie gehorchten. Hefei stieg aus und schon ihre Haltung drückte aus, dass niemand es wagen solle, auch bloß zu versuchen, ihr zu helfen.
    »Kommt nur her, ihr Hunde, dann seht ihr eure Mütter in der Hölle wieder!« erklang eine laute Frauenstimme über das Scharren von Klingen. »Bei Erlik! Kommt nur näher, Toren, dann könnt ihr euch im eigenen Blut wälzen. Ihr …«
    »Hört auf! Ich bin es, Hefei – eure Herrscherin!«
    Die Schwerter
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