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Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Titel: Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia
Autoren: Giesa Werner K.
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Salmei nichts mehr verloren. Sie ist bereits tot, obwohl sie noch nicht gestorben ist. Die Lumenia hat sie auf dem Gewissen, wie alle anderen.«
    Unsicher tastete Gerreks Hand nach seinem Arm und berührte ihn.
    »Und Scida?« murmelte der Mandaler bestürzt. »Kalisse?«
    »Sie auch«, sagte Mythor fast unhörbar.
*
    Allmählich ließ die Ausstrahlung nach. Offenbar hatte die welkende Lumenia ihre Kräfte verbraucht. Die Hanquonerinnen fanden langsam wieder zu sich selbst zurück. Doch nicht ganz.
    Einige waren tot, viele verletzt. Und ihrer aller Wille zum Leben war gebrochen, zerstört. Immer noch mußten Reste des Wahns in ihnen glimmen. Aus ihrer niedergedrückten Haltung sprach Sehnsucht nach dem Tod. Sie kauerten hier und da, starrten die Blüten an, die braun und trocken geworden waren, und warteten auf das Ende. Es war kaum zu glauben, was aus den ehemals fröhlichen und ausgelassenen feiernden Bürgerinnen geworden war. Sie waren nicht wiederzuerkennen.
    Die beiden Amazonen waren verschwunden. Mythor konnte sie nirgends erkennen. Er selbst hatte die Prinz-Odam-Maske fortgeworfen. Er brauchte sie nicht mehr. Auch die anderen begannen sich der Masken zu entledigen.
    Scida und Kalisse hatten sich wieder erholt. Sie waren nicht von der fürchterlichen Todessehnsucht der anderen betroffen, die nun so ruhig geworden waren wie es Salmei von Anfang an war.
    »Vielleicht liegt es daran, daß ihr keine Hanquonerinnen seid«, vermutete Gerrek. »Die anderen sind seit ihrer Geburt in der Schwimmenden Stadt und sind viel tiefer und innerlicher mit ihr verwurzelt. Auf sie wirkt das Sterben der Blume viel stärker als auf euch. Vielleicht, wenn wir ein paar Monde mit Hanquon gereist wären…«
    Scida nickte mit zusammengepreßten Lippen. Die Amazone sah noch älter aus als jemals zuvor. Sie blickte um sich, nahm das Dahindämmern in sich auf und sah die welkenden Blätter. Auch die großen Riesenblätter, die die einzelnen Stockwerke bildeten, verfärbten sich bereits, wurden trocken, spröde und rissig. Es ging erstaunlich schnell. Scida sah aber auch noch mehr.
    »Da«, sagte sie. »Seht!«
    Die Ratten verließen das sinkende Schiff.
    Es hatte Kleintiere in Hanquon gegeben, nützliche und weniger nützliche, wie es sie auch auf jedem Schiff gab, ohne daß selbst größte Anstrengungen der Mannschaften es verhindern konnten. Und nun begaben sich die Ratten in einer langen Reihe, ein Tier nach dem anderen, ins Wasser, schwammen davon und wurden von den Wellen mitgerissen.
    Mythor sah angelegentlich auf Gerreks rattenartigen Schwanz. »Bleibt nur noch, daß du ihnen folgst«, murmelte er in einem Anflug von mildem Spott.
    Eigenartigerweise ging der Beuteldrache nicht darauf ein.
    Kalisse kam zu ihnen. Sie kam aus Richtung des Pflanzenstocks. Den anderen war nicht einmal aufgefallen, daß sie sich vorübergehend entfernt hatte.
    »Der Lebensstrang im Pflanzenstock ist verdorrt«, sagte sie. »Ich habe ihn berührt. Er zerpulverte zwischen meinen Fingern. Die Lumenia ist tot.«
    »Ja…«, murmelte Scida leise. »Tot…«
    Mythor sah über das Wasser. Die Ratten wurden fortgerissen von den Wogen. Er sah ihnen nach.
    Und da sah er, wie der Tod mit geblähten Segeln und hoher Geschwindigkeit über die Wellen heranflog.
    Der Tod kam, um die letzten zu holen.

10.
    Tertish hielt das Ruder. Verbissen starrte sie die Lumenia an, die sich mehr und mehr verfärbte. Und die Amazone sah auch noch mehr.
    »Wir kommen zu spät«, preßte sie hervor. »Zu langsam…«
    Wie ein Pfeil durchschnitt die Sturmbrecher die Wellen, und es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Das mächtige Kampfschiff der Burra von Anakrom brauchte nicht mehr mit Waffengewalt die Herausgabe der Gesuchten zu verlangen. Die Lumenia war am Ende.
    Sie starb.
    Und sie sank.
    Und die Sturmbrecher mußte langsamer werden, wenn sie nicht an der Schwimmenden Stadt vorbeirasen wollte, und mit jeder weiteren Verlangsamung wurde der Zeitverlust größer. Aber gerade so riesige Schiffe unterlagen ihren eigenen Gesetzen, konnten, einmal in Fahrt gebracht, nicht innerhalb weniger Momente zum Stehen gebracht werden.
    Das Abbremsen kostete Zeit, und Zeit war das Kostbarste, was es für Sturmbrecher und Hanquon in diesen Augenblicken gab.
*
    »Ich werde wahnsinnig«, stammelte Gerrek.
    »Mach bloß keine leeren Versprechungen«, warnte Mythor. Er wies auf die dahindämmernden Hanquonerinnen. »Du willst doch schließlich nicht so enden wie die da.«
    »Aber das ist die Sturmbrecher!
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