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Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia

Titel: Mythor - 075 - Der Tod der Lumenia
Autoren: Giesa Werner K.
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einem müden Kichern.
    Mythor starrte nach oben. Von der Riesenblüte an der Spitze der Lumenia löste sich ein großes, welkes Blatt und sank, im Wind kreiselnd, langsam herab. Ein zweites folgte. Die ehemals prachtvoll schillernde Blüte war jetzt durch und durch braun.
    Eine neue Haß- und Wahnsinnswelle überschwemmte Mythor, doch sie traf ihn bei weitem nicht so stark wie die Frauen. Ihm und dem Mandaler gelang es, sich dagegen zu behaupten.
    Und da begann Mythor zu ahnen, woher dieser Wahnsinn kam.
    Ihm fehlte nur noch die endgültige Gewißheit.
    Und die konnte ihm vielleicht Salmei geben.
    »Los, nach oben!« zischte er dem Beuteldrachen zu. Gerrek folgte ihm, ohne zu fragen.
*
    Nun war es soweit. Salmei, die Erste Bürgerin Hanquons, war auch die erste, die es erkannt hatte.
    Ihre Maske brauchte sie nicht mehr. Sie riß sie sich ab und schleuderte sie nach unten, wo ihre Gefährtinnen sich gegenseitig niederzumachen versuchten. Daß es erst wenige Tote gegeben hatte, lag nur daran, daß die meisten keine Waffen besaßen und allein mit den bloßen Fäusten aufeinander einschlugen.
    Salmei wußte es seit kürzester Zeit, weil die Lumenia es ihr verraten hatte.
    Die Lichtblume hatte zu ihr gesprochen, wie sie gerade wieder zu den anderen sprach, aber nur Salmei hatte die lautlosen Worte der Lumenia richtig zu deuten gewußt.
    Salmei unterlag nicht dem Zwang, den Tod durch Kampf herbeizuführen, denn die Botschaft der Blume sagte ihr doch, daß der Tod von selbst kam! Die anderen aber verstanden nur Tod und versuchten ihn zu erzwingen, bevor er von allein kam.
    Der Tod…
    Sie allein kannte jetzt seine Bedeutung und wußte, daß sie alle sich geirrt hatten.
    Zwölf war die Welt-Zahl. Zwölf Monde hatte das Jahr, zwölf Jahre hatte der Kreis, zwölf Kreise zählte der Großkreis. Zwölf Farben trugen die Hexenränge, und zwölf Zaubermütter regierten die Welt.
    Und zwölf Blütenzeiten erlebte die Lumenia.
    Keine dreizehn. Die dreizehnte wäre unnatürlich gewesen, und deshalb kam jetzt der Tod, der alles beendete. Und war es nicht schön, mit der Zwölf alles einem guten Ende zuzuführen? War es nicht die Erfüllung allen Seins?
    Nur der Gedanke an den Tod hatte in Salmei noch Raum. Und sie trat an den Rand der obersten Blattstufe, daß jede Hanquonerin sie sehen konnte, wenn sie den Kopf hob, und streckte beide Arme empor.
    »Bürgerinnen!« schrie sie. »Wir irrten uns alle! Nicht der Kleine Tod beendet diese Blütezeit wie elfmal zuvor.
    Es ist der Große Tod, der alles zum Ende führt! Lumenia stirbt und gewährt uns die Gnade, mit ihr zu verblühen! Bürgerinnen, hört ihr, wie Lumenia singt? Hört ihr das Spiel der Blüten? Unser ist der Tod, mit dem wir Lumenia ehren! Seht doch, wie prachtvoll sie blüht, blüht wie nie zuvor, und blühend und dankbar sehen wir dem Tod entgegen… ist es nicht wunderbar, mit Lumenia zu sterben…?«
    Ihre Stimme verhallte im Wind, und mit hochgereckten Armen sank Salmei in die Knie, drehte ihr Gesicht der Blüte zu und neigte das Haupt.
*
    »Salmei singt«, murmelte Mythor und stieß Gerrek an. »Hörst du es auch?«
    Zwei Blattstockwerke über ihnen stand und kniete Salmei. Die beiden Freunde hatten es geschafft, bis hierher vorzudringen und waren nicht mehr von wahnsinnigen Kämpferinnen bedrängt worden. Die Kämpfe spielten sich weiter unten ab.
    »Sie ist so wahnsinnig wie die anderen«, behauptete der Beuteldrache, »nur zeigt sich bei ihr der Wahnsinn in einer anderen Form. Die Lumenia blüht wie nie zuvor… dieser welke, braune Stengel!«
    Umständlich zerrte der Mandaler die Zauberflöte aus seinem Bauchbeutel hervor und blies hinein. Ein leiser, häßlicher Mißton erklang und schwoll an.
    »Diese Irre«, murmelte Mythor. »Es stört sie nicht im geringsten, daß die Frauen sich gegenseitig umbringen. Als ob es eine Gnade wäre, zusammen mit der Schwimmenden Stadt in den Tod zu gehen!«
    Gerrek setzte die Zauberflöte wieder ab und klopfte mit den krallenbewehrten Fingern darauf.
    »Die Blume zwingt sie dazu«, sagte er. »Die Flöte zeigte es mir. Von der welkenden Blume geht etwas aus, eine seltsame Schwingung wie von einem kranken Geist. Je mehr welkt, desto mehr wird freigesetzt, so als würde dieser kranke Geist aus der Pracht geformt, umgewandelt…«
    »Und diese Ausstrahlung macht sie alle verrückt«, erkannte Mythor.
    Gerrek nickte. »Die Lumenia will nicht allein sterben«, sagte er leise.
    Mythor wandte sich ab. »Komm«, sagte er. »Wir haben bei
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