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Der Ripper - Roman

Der Ripper - Roman

Titel: Der Ripper - Roman
Autoren: Heyne
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PROLOG
    Worin ich Ihnen auf meine abenteuerliche Geschichte Lust zu machen beabsichtige
     
    Londons East End war ein ziemlich gefährliches Pflaster, doch ebendort befand ich mich am Abend des 8. November 1888, ein junger Bursche von fünfzehn Jahren mit mehr Schneid als Verstand.
    Das ist jetzt etwa zwanzig Jahre her; höchste Zeit also, zur Feder zu greifen, bevor mir die Einzelheiten entfallen oder ich von einer Schlange gebissen werde.
    Alles fing damit an, dass ich mich auf die Suche nach Onkel William machte, damit er sich um Barnes kümmerte. Sie müssen wissen, mein Onkel war Konstabler bei der Polizei. Er war ein harter, zäher Bursche. Ein paar Worte - oder Schläge - von ihm, und dieser Schurke Barnes hätte es nicht noch einmal gewagt, meine Mutter mit dem Gürtel zu traktieren.
    Also brach ich gegen einundzwanzig Uhr auf und schätzte, in weniger als einer Stunde mit meinem Onkel wieder zurück zu sein.
    Aber es sollte mir nicht vergönnt sein, ihn zu finden.
    So, wie sich alles ergab, sollte ich meinen Onkel William niemals wiedersehen, und es sollte viele Jahre dauern, bis ich meine liebe Mutter das nächste Mal in die Arme schließen konnte.
    Manchmal verspürt man den Wunsch, man könnte noch einmal von vorn anfangen und einige Dinge anders anpacken.

    Kann man natürlich nicht.
    Und vielleicht ist es auch besser so.
    Nun, sicher habe ich mich nach meiner Mutter gesehnt und meine Freunde vermisst und mich gefragt, wie mein Leben ausgesehen hätte, wäre ich an diesem Abend nicht nach Whitechapel gegangen. Denn das bedauere ich noch heute, wenn auch nicht mehr allzu sehr.
    So ist das nun mal.
    Ich habe ein paar brenzlige Situationen erlebt und stand einigen gottlosen Schrecknissen gegenüber, aber es gab auch viele gute Zeiten. Ich habe wunderbare Abenteuer erlebt und treue Freunde gefunden. Ich habe die Liebe gefunden. Und bis jetzt konnte ich dem Tod noch immer ein Schnippchen schlagen.
    Auch wenn es manchmal recht knapp ausging.
    Ich bin allen möglichen Schurken begegnet, wurde von Lynchmobs und Bürgerwehren gejagt und stand Jack the Ripper höchstpersönlich gegenüber.
    Aber ich erfreue mich noch immer bester Gesundheit und bin bereit, meine Geschichte zu erzählen.
    Was ich jetzt tun werde.
     
    Mit freundlichen Grüßen des Verfassers
     
    TREVOR WELLINGTON BENTLEY
    Tucson, Arizona 1908

ERSTER TEIL
    Fort von Whitechapel, auf nach Amerika

1
    Barnes, ein Gentleman
    Der Abend war wie dazu geschaffen, ihn zu Hause zu verbringen, und so saß ich faul vor dem Kaminfeuer in unserer Wohnung in der Marylebone High Street und ließ mich wärmen. Ich hatte die schreckliche Langweile überlebt, die meine Hausaufgaben mit sich brachten (und die ich mir wirklich hätte sparen können), das Mädchen war außer Haus, um seinen Schatz zu besuchen, und Tom und Huck halfen mir nach Kräften dabei, mich in bessere Stimmung zu versetzen, indem sie wilde Pläne schmiedeten, wie sie Jim aus der Obhut von Onkel Silas und Tante Sally befreien konnten. Tom konnte einen schier zur Verzweiflung bringen. Er tat nie etwas auf einfache Art und Weise.
    Sosehr mich Mr. Twains Buch auch fesselte, horchte ich dennoch nach Schritten draußen auf der Treppe. Aber es war nichts zu hören außer dem Geräusch des Regens, der gegen die Fensterscheiben prasselte.
    Mutter hätte schon vor einiger Zeit wieder daheim sein müssen. Sie war direkt nach dem Abendessen aufgebrochen, um Liz McNaughton, die dank eines Kutschenunfalls auf der Lombard Street nur noch ein Bein hatte, ihren dienstäglichen Geigenunterricht zu geben.
    Obwohl es schäbig von mir war, ertappte ich mich bei dem Wunsch, dass Liz statt ihres Beines einen Arm verloren hätte. Das hätte ihrem Geigenspiel einen Dämpfer
versetzt. Mutter wäre die undankbare Aufgabe erspart geblieben, ihr an einem solch ungemütlichen Abend einen Besuch abstatten zu müssen, und damit mir meine Sorge um sie.
    Denn davon hatte ich reichlich.
    Ich fand niemals Ruhe, wenn Mutter abends unterwegs war. Ich hatte keinen Vater, nicht einmal eine verschwommene Erinnerung an ihn, denn ich war noch ein Säugling, als er als Soldat bei den Berkshires in der Schlacht von Maiwand einer Jezail-Kugel zum Opfer gefallen war. Ohne Vater aufgewachsen, lebte ich in ständiger Furcht, auch Mutter zu verlieren.
    Während ich also über den Grund für ihre Verspätung nachsann, beschwor ich einen ganzen Reigen schrecklicher Dinge herauf, die ihr zugestoßen sein konnten. Schon in normalen Zeiten hätte sie
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