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My Story - Streng geheim - Traumtaenzer gesucht

Titel: My Story - Streng geheim - Traumtaenzer gesucht
Autoren: Beatrix Mannel
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war, mit siebzehn überraschend schwanger zu sein, und wie unglaublich hart sie nach meiner Geburt hatte trainieren müssen, um schnellstmöglich wieder auf der Bühne zu stehen. Sie hat es in nur einer Woche geschafft. Die Geburt im Kreißsaal mit sechzehn Stunden Wehen fand sie dagegen nicht der Rede wert.
    Â»Nicht nachlassen, ma chérie, nur hartes Training führt
zum Ziel.« Sie reicht mir aufmunternd die Wasserflasche, und weil das einer der wenigen Momente ist, in denen sie so glücklich aussieht wie früher, werde ich ihr niemals verraten, wie liebend gern ich dieses Training an den Nagel hängen würde.
    Â»Wir machen eine kleine Pause, du bist etwas unkonzentriert, Margot-Emanuelle. Ich bin gleich wieder da.«
    Trotz allem, was ihrem Körper passiert ist, scheint sie beim Gehen immer noch grazil über den Boden zu schweben. Ich schaue ihr nach und frage mich, wie es wäre, wenn es Papa noch gäbe. Wäre ich dann überhaupt in diesem Foltersaal? Wahrscheinlich nicht, denn dann wäre Mama ja auch nie verletzt worden und würde heute noch selbst tanzen.
    Aber der Papa, der mich immer Nele nannte, der mich okay fand, so wie ich war, der ist nicht mehr da. Ich erinnere mich, dass er viel mit mir gesungen hat, dass er witzige Songs wie »Mein kleiner grüner Kaktus« liebte und dass es ihn wahnsinnig gefreut hat, wenn ich mir den Text merken konnte. Außerdem hat er mir die verrücktesten Geschichten erzählt und so getan, als stünden sie alle in meinem Märchenbuch. Erst als ich selbst lesen konnte, habe ich gemerkt, dass es in Grimms Märchenbuch nirgends eine Fee gab, die Gummibärchenregen zaubern konnte, und auch den Ritter Evian, der unendlich viele Abenteuer bestehen muss, um die berühmten rosa Lachse zu finden, die einzige Speise, die Prinzessin Leneele vom Tode retten konnte, habe ich nie gefunden.
    Nach dem grauenhaften Unfall habe ich das zerfledderte Buch wieder herausgeholt, obwohl ich da schon neun Jahre alt war. Habe seine Geschichten darin gesucht, wieder und wieder und wieder.
    Wollte Papa zurück.

    Wollte diese Kakofonie von quietschenden Reifen, Schreien, krachendem Blech und splitterndem Glas aus meinem Kopf raus lesen, wollte den Geruch nach Benzin, verbranntem Gummi und Blut ausblenden, wollte vergessen, dass uns auf der Autobahn ein Laster gerammt hat.
    Es war ein Toter, der unsere Familie zerstört hat. Der LKW-Fahrer hatte einen Herzinfarkt, und deshalb geriet sein LKW auf die andere Fahrbahn, unsere Fahrbahn.
    Seitdem sind Mamas Rücken und ihr linkes Knie steif und Papa liegt auf dem Nordfriedhof. Fünf Jahre ist das jetzt her, und ich fange an, Papas Gesicht zu vergessen. Ich muss ständig sein Foto anschauen, um ihn noch vor mir zu sehen, was mich unglücklich macht, denn es ist so, als würde er jetzt erst richtig sterben.
    Früher habe ich oft so getan, als ob er noch da wäre, und ihm erzählt, was mir in der Schule passiert ist, aber immer öfter komme ich mir dabei wie eine Idiotin vor. Gespräche mit einem Toten. Lächerlich. Peinlich.
    Womit wir wieder bei heute Abend wären.
    Unsäglich blöd, was mir da in der Starlight-Stage-Musical-School passiert ist, und ich habe es mal wieder Mama zu verdanken. Sie arbeitet in der Musicalschule. Aber leider nicht als Lehrerin. Sie hat gesagt, es würde sie verrückt machen, sich mit lauter eingebildeten Blagen herumärgern zu müssen, die davon träumen, mühelos ein lächerlicher Musical-star zu werden. Für Mama kommt Musical gleich hinter Plastikglitzerfingernägeln und Zungenpiercings. Deshalb warte ich immer, bis sie aus der Wohnung ist, bevor ich die Musical-DVDs einlege, auf die ich stehe - zurzeit »High School Musical 2« und schon seit einem Jahr mein Dauerliebling »Dreamgirls«. Ich drehe dann die Musik bis zum Anschlag auf, tanze durch die Wohnung und stelle mir vor, ich wäre
Deena alias Beyoncé Knowles und würde meine Fans zum Kreischen bringen.
    Zum Glück hat sie mich dabei noch nie erwischt. Es würde sie traurig machen, denn sie würde es als Affront gegen ihr einziges Heiligtum betrachten, das klassische Ballett.
    Obwohl Mama das Ballett so liebt, will sie nur mich unterrichten, sonst niemanden. Genau dafür hat sie diesen Deal mit der Musicalschule. Sie arbeitet hier als Putzfrau, und wir können abends, wenn alle Kurse vorbei sind, in dem großen Saal trainieren, so wie
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