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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben
Autoren: Carsten Jasner
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mein Leben. Ich hänge daran«, sagt Wolf Schneider.
    Wer dem Tod ins Auge schaut, sagt der Psychologe Arnold Retzer, der fühlt sich oft entlastet. Wer Todesangst erlebt hat, wer über sie spricht, der »wirft den Ballast der irrigen Vorstellung ab, dass wir vielleicht doch unsterblich sind«. Die Furcht vor einer tödlichen Krankheit oder einem Flugzeugabsturz oder einem Herzstillstand verliert dadurch an Kraft. Wer sich von der Illusion verabschieden kann, dass es gelingen könnte, alle Gefahren des Lebens in den Griff zu bekommen, erlebt einen »Reifungsprozess«. Mit dem, sagt Retzer, »fängt das Leben erst an«.

    Kleine Abenteuer zwischendurch
    Mut bedeutet, »trotz Angst kühn zu denken und zu handeln«. Auf diese Weise schwingen wir uns in eine Risikobalance, in einen Zustand glückseliger Konzentration, den manche Flow nennen, andere Nervenkitzel. Es gibt verschiedene Wege dorthin; alle erfordern Neugier, Mut und ein bisschen Ausdauer.
    Sich körperlich anzustrengen ist eine Möglichkeit. Meditation eine andere. Im Kollektiv aufzugehen wie im Fußballstadion oder in asiatischen Unternehmen eine weitere. Eine vierte das Schauspielern. Alle diese Wege handeln vom Loslassen. Wenn sich Daniel Day-Lewis, einer der besten Charakterdarsteller der Gegenwart, in eine seiner Rollen verwandelt, sagt er, »gebe ich mich auf«. Er will »der Grenze zum reinen Chaos wirklich nahe« kommen. »Erst da beginnt der fruchtbare Bereich, der Raum, in dem man kreativ werden kann.«
    In einem Interview zu dem Film There Will Be Blood, in dem er einen halb wahnsinnigen Ölsucher spielt, erzählt Daniel Day-Lewis von der traditionellen Lust der Menschen, ihr Ich aufzugeben. Seit Tausenden von Jahren würden Menschen alle möglichen Wege erkunden, wie sie sich von ihrem Selbst lösen können. »Das Eintauchen in eine Rolle ist so etwas wie eine Meditation oder ein Trip. Man unternimmt eine Reise und versucht, eine möglichst große Entfernung von sich und seinem Leben zu schaffen.«
    Er »ver-rückt« sich selbst. Was auf Menschen in seiner Umgebung ziemlich beängstigend wirkt, weil sie fürchten, dass er nicht wieder zurückfindet und verrückt bleibt. Das Risiko nimmt er in Kauf, er liebt den Zustand der Kreativität: die »absolut umfassende, umwerfende Erfahrung«.
    Sein amerikanischer Kollege Sean Penn, ein ähnlich extremer Typ, hat In die Wildnis gedreht, wo sich ein junger Mann nach Alaska begibt und dort elendig verreckt. Penn selbst ist immer mal wieder in eine Schlägerei verwickelt, zugleich Pazifist; er verabscheut Kriege und Repressalien, protestierte gegen die Bush-Regierung und kämpft gegen Naturzerstörung.
    Mit dem Film wolle er die Frage aufwerfen, »wie viel Risiko ein junger Mann eingehen sollte«. Der Protagonist, auf der Suche nach sich selbst, macht alles falsch: geht allein, hat die falsche Ausrüstung und keine Ahnung von ungezähmter Natur. Grundsätzlich aber meint Penn, »ist es immer ehrenhaft, sich auf die Suche zu begeben«; das sei etwas, was in der westlichen Kultur verloren gegangen ist. »Wieso«, sagt er, »sollten wir uns nicht überlegen, wie ein Leben, das sowieso enden wird, aussehen muss, damit es sich lohnt, dafür zu sterben?«
    Ein großartiger Satz. Er bringt das Paradox der Mutprobe auf den Punkt. Wer etwas wagt, riskiert zu scheitern, im schlimmsten Fall zu sterben, was aber nur selten passiert. Zumindest nicht sofort. Die aufmüpfige, biblische Eva hatte angeblich noch neunhundert Jahre, bis der göttlich verordnete Tod eintrat – neunhundert Jahre, die bestimmt prickelnder waren als der gleichförmige Trott in der Ewigkeit davor.
    Während die First Lady der Bibel sich selbst eine lustige Herausforderung suchte, werden wir heute bedrängt von einer Freizeitindustrie, die uns viele tolle Angebote macht. Doch können wir das Wagnis selbst suchen, es ist leicht zu finden, es begleitet uns jeden Tag. Hier ein paar Vorschläge. Kleine, keine spektakulären Abenteuer, aber wirksam. In den meisten Fällen lassen sie sich schnell und einfach umsetzen:
    Sich zum Tanzkurs anmelden; ein Abend ohne Fernsehen (und dann vielleicht noch einer); mit erfahrenem Angler fischen gehen; Möbel umstellen; Zähne mit linker Hand putzen (bei Linkshändern mit rechter Hand); drei Tage ohne Alkohol; Hobbymannschaft suchen zum Fußballspielen (oder Volleyball oder sonst ein Spiel); Rezept geben lassen und nachkochen; Boxen, Karate oder Aikido lernen; mit dem unbekannten, aber irgendwie netten Kollegen zum
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