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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben
Autoren: Carsten Jasner
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werden, gewissermaßen »blind vor Liebe«, was im Fall des Rädertierchens wahrscheinlich bedeutet: Es wird gefressen.
    Ausgerechnet in unsicheren Zeiten geht das Rädertierchen also große Risiken ein. Und warum? Weil es damit seine Überlebenschancen erhöht. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.
    Die gummibärchenartigen Wesen werden bei ihrer Paarsuche von einer Kraft im Innern getrieben; ob das Glück ist, weiß nur das Rädertierchen. Für den Menschen aber hat die Glücksforschung bewiesen: Abwechslung und die Lust, Neues auszuprobieren, sind die Schlüssel zu positiven Gefühlen. Der britische Psychologe Richard Wiseman hat acht Jahre lang die Lebenswege von vierhundert Menschen verfolgt. Etwa die Hälfte von ihnen bezeichnete sich als Pechvögel, die andere Hälfte als Glückspilze. Letztere, fand Wiseman heraus, zeichnen sich besonders durch vier Eigenschaften aus: Sie sind offener, entspannter, selbstbewusster und gesprächsbereiter als jene, die klagen, bei ihnen gehe immer alles schief. 165
    Glückspilze lassen sich nicht von Konventionen einengen, sie haben ein Faible für den Reiz des Unvorhersehbaren. Sie fassen Gelegenheiten beim Schopf, folgen dabei ihren Bauchgefühlen; schenken Menschen, die sie für ehrlich oder zuverlässig halten, ihr Vertrauen; gehen davon aus, dass das Leben eine Menge schöner Erfahrungen bereithält; und wenn etwas danebengeht, forschen sie nach dem Grund, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Kurz: Sie sind allzeit bereit für Abenteuer.
    Selbst würden sie sich vermutlich gar nicht so beschreiben, weil Mut für sie etwas Selbstverständliches geworden ist. Wohlgemerkt: geworden ist. Wiseman hat festgestellt, dass Menschen ihr Selbstbewusstsein und ihr Bauchgefühl erst durch Erfahrungen entwickeln. Entscheidend ist, dass sie für Erfahrungen offen sind. Während der eine im Café gelangweilt bis missmutig die Zeitung durchblättert, ist die andere elektrisiert von einem Inserat und reagiert darauf oder lernt am Nebentisch eine interessante Geschäftsfrau kennen.
    Um Abenteuer glücklich zu bestehen, hat Wiseman ein paar Strategien herausgefiltert, die ich für ausgesprochen fruchtbar halte:
Entspannen Sie sich.
Versuchen Sie, die Welt durch die Augen eines Kindes zu sehen; ohne Vorurteile – mit Neugier.
Bewegen Sie sich mit einer offenen Körperhaltung; machen Sie sich ein Vergnügen daraus, auf andere anziehend zu wirken.
Grübeln Sie nicht über Misserfolge, lernen Sie daraus.
Hören Sie auf Ihre innere Stimme.
    Ein Managementtrainer würde jetzt auf der Bühne hin und her tigern und in sein Mikrofon brüllen: »Das sind die Regeln des Erfolgs!« Das sind sie wohl auch; man kann aber einfacher sagen: Das ist Mut.
    Wissenschaftler des Instituts für Arbeit und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben über zwanzigtausend Interviews mit Menschen in Deutschland ausgewertet, und auch sie kommen zu dem Ergebnis: Wer gerne Risiken eingeht, ist mit seinem Leben zufriedener. 166
    Fallen lernen
    Von militanten Wirtschaftsliberalen werden solche Ergebnisse gerne missbraucht. Sie sagen: Schafft die sozialen Sicherungssysteme ab, der Markt regelt alles von allein – ein Hoch auf die Freiheit und das Risiko.
    »Das ist zynisch«, sagt der Soziologe und Risikoforscher Jens Zinn von der Universität Kent. 167 »Wer nicht weiß, wie er seine Miete zahlen soll, fühlt sich nicht frei.« Jeder Mensch braucht Grundsicherheiten. Dazu gehören eine Portion Geld, Selbstwertgefühl und Bildung, wobei das eine das andere häufig bedingt. Auf diesem Fundament aber kann der Mensch Eigenverantwortung übernehmen und sollte es auch tun. »Freiheit ist«, sagt Zinn, »zu entscheiden, welche Risiken man eingehen will.«
    Bildung und lebensnahes Wissen – ob über Lawinen, Lagerfeuer oder Finanzanlagen – sind Voraussetzungen, um Risiken zu optimieren. »Was brauche ich, um glücklich zu sein?«, fragt Dieter Lenzen, Erziehungswissenschaftler und Präsident der Universität Hamburg. 168 Und antwortet mit Goethe: »Werde der, der du bist.«
    Starre Lehrpläne helfen in einer sich verändernden Welt nicht weiter. Jedes Kind, sagt Lenzen, »ist etwas, will etwas und wird etwas, aber garantiert nicht das, was die Eltern wollen«. Die Zukunft ihres Kindes können sie genauso wenig vorhersehen wie ihre eigene. Es gelte, gelassen zu bleiben und sich verschiedene Dinge anzueignen, »damit man was hat, falls das andere wegbricht«.
    Mehr Unsicherheit, aber auch mehr Chancen
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