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Mum@work: Roman

Mum@work: Roman

Titel: Mum@work: Roman
Autoren: Elke Ahlswede
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meinen eigenen Kindergarten kommen auf. Da gab es eine Tante Hilde, rund und sehr kuschelig, mit Unmengen Sommersprossen im Gesicht unter ihren leuchtend roten Haaren. Regenwürmer dürfte sie nur aus ihrem Schrebergarten gekannt haben, dafür konnte sie bestimmt fehlerfrei »Häschen in der Grube« singen. Das reichte damals zum Thema Ökosystem.
    »Gut, dann nehmen wir doch das Regenwurmreferat. Und Meikis Fuchskostüm wird bis dahin sicher auch fertig.«
    »Na ja, der Themenbereich Fuchs ist natürlich schon seit langem vergeben. Und die Kostüme sind immer an die Referate gekoppelt.«
    » Das heißt? «
    »Das heißt selbstverständlich, dass Mareike beim Sommerfest als Regenwurm auftreten sollte.« Plopp.
    Das war der Korken von dem rot gefüllten Reagenzglas. Plopp.
    Das war blau.
    »Mama, Mama! Guck mal, Max trinkt gleich den Rotkohlsaft mit dem Essig.«
    Meiki steht in der Tür.
    »Max, nein!« Ich will Max die Gläser entreißen. Doch: zu spät.
    Meiki hat schon dasselbe versucht, und jetzt prügeln sich meine beiden Lieblinge um den Lackmustest. Mareike kann Max noch das eine Glas wegnehmen, aus der die rote Flüssigkeit nun auf Helene Martens' weiße Birkenstock tropft. Max setzt an, sich die blaue Flasche zugenehmigen. »Können Sie schnell Max das Glas wegnehmen?«, rufe ich. Doch ohne ein Wort zu sagen, rupft sich die Martens ein Stück Zewa von der Rolle auf dem Regal und fängt an, ihre Schuhe zu putzen.
    Die blaue Flüssigkeit verschwindet in Mäxchens Mund. »War das auch Essig?«, frage ich entsetzt.
    »Oh, Mama, du hast ja keine Ahnung. Das war doch Backpulver!«
     
    To do:
    -  Lackmustest bei Wikipedia checken
    -  Regenwürmer bei Wiki checken :-/
     
    Nach dieser peinlichen Einlage versuche ich, meine Prachtexemplare von Kindern so schnell wie möglich aus dieser Einrichtung der höheren Bildung zu scheuchen. Für heute reicht es wirklich, denke ich mir, als wir endlich das majestätisch wirkende Eingangstor erreicht haben.
    Doch Meiki scheint da anderer Meinung zu sein: Ohne Vorwarnung dreht sie sich um und wirft uns bei unserem bisher doch eigentlich ganz geordneten Rückzug mindestens um fünf Schritte zurück.
    »Mama, guck mal, da ist Che!«, sagt sie mit einem seligen Blick, den ich irgendwie beunruhigend finde.
    »Wer ist denn Che?«
    Die Frage war eigentlich überflüssig, denn Meiki deutet mit ihrem rechten Zeigefinger direkt auf einen jungen Mann, der aussieht, als hätte er gerade den Anschluss an eine Demonstration linker Globalisierungskritiker verpasst. Seine Dreadlocks ringeln sich weit bis über seine Schultern, die von einem ziemlich zerfetzten, wohl ehemals roten T-Shirt nur mäßig bedeckt werden. Unversehrt auf dem T-Shirt ist allerdings in Waschbrettbauchgröße das schwarze Abbild Che Guevaras zu erkennen - komplett mit Käppi, Bart und revolutionär-entrücktem Blick. Ich dachte, der wäre längst out.
    Meiki zerrt mich nun zu ihrem Che, der ganz in der Manier der Ausgebeuteten dieser Erde den Parkplatz vor dem Gebäude der Schlauen Füchse fegt.
    »Hallo, Che!«, sagt sie und strahlt den Straßenfeger an. Che blickt bereitwillig von seiner Tätigkeit auf und lächelt meine Tochter an. Mich ignoriert er. »Hallo, Mareike, wie geht's?«
    »Gut, aber mein kleiner Bruder hat gerade Backpulver getrunken.«
    »Gluck, gluck«, sagt Max, der auf meinem Arm sitzt, und zeigt auf seinen Bauch. Der sieht irgendwie noch dicker aus als bei Kleinkindern ohnehin schon üblich. Muss das Backpulver sein.
    »Ja, also, das wird schon nicht so schlimm sein«, sage ich. Ein Versuch, mich in die Unterhaltung einzuschalten. Irgendwie komisch, so als Statistin danebenzustehen, während sich meine Kinder mit einem Erwachsenen unterhalten. Wobei, dieser Che dürfte seine Teenager-Tage auch noch nicht allzu lange hinter sich gelassen haben.
    »Stein, Katharina Stein«, sage ich in meinem gemäßigten Businesstonfall und halte dem seit neuestem offensichtlich als Hilfshausmeister beschäftigten Revolutionär meine Hand entgegen.
    »Ich heiße Che, haben Sie ja schon gehört.«
    »Familienname Guevara, nehme ich an.«
    Che streicht sich einen mit bunten Fäden aufgepeppten Zopf aus dem Gesicht.
    »Genau«, sagt er, ohne den Anflug eines Lächelns. Er muss mich instinktiv als Grundpfeiler des anglozentristischen Neoliberalismus identifiziert haben.
    Sein Lächeln kommt erst wieder, als er die Unterhaltung mit Mareike fortsetzt.
    »Und - freust du dich schon auf die Projektwoche?«
    »Ja, das wird
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