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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
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Art» – wofür das Jugoslavische ein unwiderlegbares wie tragisches Beispiel ist. Und die in South Carolina wirkende Linguistin Carol Myers-Scotton nannte Kontaktsprachen «duelling languages», Sprachen im Duell. Das Oben-Unten-Verhältnis von Sprachen ist also im großen Maßstab eine Konstante; die Tendenzen zunehmender Gleichberechtigung erscheinen erst im 20. und 21. Jahrhundert auf der Sprachenkarte.
    Niemand sollte so naiv sein zu glauben, dass Dutzende von fremden Sprachen, die innerhalb eines Territoriums oder eines Staates unter dem Dach einer Mehrheitssprache aufeinandertreffen, nicht massiven Einfluss auf diese ausüben: Warum sollte auch, was in persönlichen Beziehungen, im Kunstbetrieb oder in der Wirtschaft gang und gäbe ist, für die Sprache nicht gelten? Die Geschichte der Sprachen in der Welt zeigt, dass die meisten Sprachen irgendwann einmal Minderheitensprachen waren oder noch sind, die von anderen Sprachen dominiert werden, dass bei Sprachkontakt immer auch schiere Dominanz im Spiele ist, Sprachherrschaft und Unterdrückung, ja eine Art linguistischer Darwinismus, der immer versucht hat, eine Sprache gegen die anderen auszuspielen und ihre Herrschaft in einem politischen Raum zu sichern. Dies hat der in Helsinki wirkende Linguist Harald Haarmann in seiner Weltgeschichte der Sprachen (2006) in faszinierenden Details beschrieben. Schließlich werden sich Sprachenpaarungen jeglicher Art auch gegenseitig verstärken, also türkisch, arabisch, russisch geprägte Migrantendeutschs werden auch untereinander mit der Zeit unabsehbare Gemeinsamkeiten ausbilden (z.B. bei den allseits bekannten Schwankungen im Artikelgebrauch des Deutschen).
    Des langen Vorworts kurzer Sinn: Das Deutsche ändert sich seit einiger Zeit rasant, vor unseren Augen, zum Greifen und Hören nah, in situ . Ohne den Sprachenkontakt und sein Wirken aber bleibt alles im Dunkeln. Dies wollen wir verhindern und Aufklärung betreiben. Um die wahren Gründe, die eigentlichen Triebfedern und die Richtung des Sprachwandels aufzudecken,muss man zuerst die Perspektive richtig einstellen und auch die Migrantensprachen mit ins Visier nehmen.
    Zum Formalen: In wissenschaftlichen Arbeiten wird meistens zuviel zitiert (eine deutsche Marotte), was nicht besonders leserfreundlich wirkt. Es ist deshalb in diesem Buch fast ganz auf Anmerkungen und das ständige Nennen von Jahreszahlen und Werken verzichtet worden, um den Textfluss nicht unnötig zu stören. Wichtige Zwischenergebnisse und Thesen werden in hervorgehobenen Absätzen zusammengefasst. Auch Autorennamen werden eher sparsam gesetzt: Jedes im Text angesprochene Thema findet sich aber in der Literaturliste in einschlägigen Werken wieder. Beispiel Migration :Bauer et al. (Hrsg.) (2005). Für Jugoslawien/jugoslawisch schreibe ich in slavistischer Manier ‹Jugoslavien›/‹jugoslavisch›.
    Die Sprache des Buches ist nicht zu linguistisch; außer ein paar unumgänglichen schulgrammatischen Ausdrücken gibt es kein Fachchinesisch: jeder kann verstehen, worum es geht.

 
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ZUSAMMENFASSUNG
    Eine Zusammenfassung gehört an den Anfang. Da weiß der Leser gleich, was ihn genau erwartet, in Theorie und Praxis und im Ergebnis. Deshalb fassen wir die Grundthesen des Buches bündig in zehn Sätzen zusammen.
    Â Â 1. Viele Standardsprachen in Europa , z.B. das Englische, Französische und Deutsche, werden seit einigen Jahrzehnten verstärkt von neuen Migrantensprachen beeinflusst . Dadurch lockert sich allmählich die Standardnorm und es wächst auf der anderen Seite die Bedeutung von Sprachformen am Rand und außerhalb des Standards wie Umgangssprache oder Slang.
    Â Â 2. Die deutsche Sprache verändert sich in einer Zeit, die von Migration, Multikulturalität, Mehrsprachigkeit und ungesteuerter Integration geprägt ist, viel schneller und nachhaltiger , als sie es jemals früher getan hat.
    Â Â 3. Es verändert sich vor allem die mündliche gesprochene deutsche Standard-Umgangssprache . Es entwickelt so etwas wieeine ‹Norm zweiter Ordnung›. Die meisten Veränderungen (z.B. Abbau der Kasus) haben sich lange vorbereitet und gehen auf die ersten neuen Sprachkontakte Ende der 1960er Jahre zurück.
    Â Â 4. Den beschleunigten Wandel des Deutschen lösen vor allem sechs Faktoren aus: Die neue Anwesenheit von Dutzenden fremden Sprachen, die mit dem Deutschen und
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