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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin
Autoren: Posie Graeme-evans
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    Prolog
    Der Winter hatte sich frühzeitig und mit ganzer Härte eingestellt. Unter den Hufen der Pferde, die auf dem Weg zum Wald über vereiste Erdklumpen stolperten, schien die Erde förmlich zu klirren.
    Es war später Nachmittag. Im Westen türmten sich dicke Schneewolken auf und schoben sich vor das letzte Licht des Tages. Auch der Wind wurde stärker, wie der Mann auf dem großen, grauroten Pferd mit Sorge bemerkte. Das erschöpfte Tier stolperte schon wieder. Fluchend riss der Mann an den Zügeln und musterte die dämmerige Linie des Waldes. Die Stelle war für einen Halt viel zu ungeschützt, doch er hatte keine andere Wahl, denn hier musste er auf den Boten warten.
    Hinter ihm kam die kleine Schar berittener Männer jäh zum Stehen und versammelte sich um die mit Vorhängen verhängte Kutsche. Militärische Disziplin hielt sie aufrecht, doch die Gesichter und der Zustand der Pferde ließen keinen Zweifel. Sie hatten alle eine lange, eisige Reise hinter sich.
    Als die Kutsche schlingernd zum Stehen kam, tauchte hinter den verschlissenen Ledervorhängen zaghaft das bleiche Gesicht einer Frau auf: eine ausgeprägte Nase, hohe Wangenknochen, keine Schönheit, aber hübsch, ungefähr in den Dreißigern. Sie stieg aus der Kutsche, trat auf den gefrorenen Erdboden und bedeckte Mund und Nase eilig mit einem roten, hauchdünnen Schleier - ein lebhafter Farbfleck in der schwarzweißen Winterlandschaft. Die Dunkelheit senkte sich rasch herab, der Wind hatte nach Osten gedreht. Die Frau unterdrückte den Impuls zu laufen und ging eilig auf den Mann zu, der den Blick über den Wald vor ihnen schweifen ließ. Trotz ihres pelzbesetzten Mantels schnitt die Kälte in ihre Haut, so dass sie zitterte.
    Pferd und Reiter ragten hoch über ihr auf, doch der Hauptmann beachtete sie nicht. »Sir!« Ihre Stimme hatte einen scharfen Klang, und sie atmete schwer. Warum? Aus Angst. Unwillig sah der Mann zu ihr herab. Sein strenger Blick ließ die Worte auf ihrer Zunge verdorren. Doch seine anmaßende Haltung erfüllte sie mit neuem Mut. »Sir ... das Kind. Meine Herrin benötigt ein anständiges Bett für die Geburt...«
    »Wie? Das Kind zur Welt bringen? Besser, es stirbt gleich - und sie auch.«
    Währenddessen ertönte ein Rufen aus der Soldatenschar, und sie hörten einen Reiter, der im Galopp aus dem Wald kam. »Hier, Peter, zu mir! Hierher! Was haben sie gesagt?«, rief der Hauptmann laut.
    »Gedankt sei euch, Mutter Gottes«, murmelte Jehanne trotz ihres Zorns und eilte durch die Dunkelheit zur Kutsche zurück. Jetzt würden sie vielleicht endlich weiterfahren und die Jagdhütte doch rechtzeitig erreichen.
    Während sie wieder in die Kutsche kletterte, verzogen sich ihre Lippen zu einem schmalen Strich. Dieser Dummkopf von Hauptmann brauchte nicht zu glauben, dass sie irgendetwas davon vergessen würde. Nein, sie würde sich an jede Einzelheit erinnern, angefangen mit den Kissen, die schon längst ihre Füllung verloren hatten, bis zu den alten, verstaubten Bärenhäuten, die kaum noch ein Haar aufwiesen. Und nicht einmal einen ordentlichen Geleitschutz! Wenn das Kind erst einmal gesund zur Welt gekommen war, würde sie dafür sorgen, dass ihm sein anmaßendes Grinsen verging!
    »Wo seid Ihr, mein Liebes? Gleich fahren wir weiter ... nur keine Angst.« In der Dunkelheit tastete Jehanne nach ihrer Herrin und plapperte munter weiter, als der schwere Wagen losrumpelte. »Lasst mich Eure Stirn fühlen - ist der Kopfschmerz vergangen?«
    Armes Kind. Jehanne hatte schon vielen Kindern auf die Welt geholfen, aber dieses hier hatte sich seit den ersten, durch diese schreckliche Reise ausgelösten Wehen nicht richtig angefühlt. Gewiss, sie wusste wohl, dass die blutjungen Mütter beim ersten Mai oft große Schmerzen erlitten, doch in Anbetracht der Umstände und der Gefahr schnürte wachsende Panik ihr die Kehle zu. Die Haut des Mädchens fühlte sich kalt an, doch ihr unsteter Puls raste in einer Geschwindigkeit, die Jehanne Angst einjagte. Plötzlich zog sich Alyces Körper, der sich wie ein Ballon in der Dunkelheit wölbte, zusammen, und sie stieß einen schrillen Schrei aus.
    »Nun, nun, Herrin, kommt, lehnt Euch an mich«, sagte Jehanne beruhigend. Wenn sie ihr doch wenigstens eine Lampe geben würden, und wäre die Reise doch endlich vorbei. Aber die Kutsche holperte, von vier gleichmütigen Ochsen gezogen, über den Waldweg.
    Als der Hauptmann seinen Trupp tiefer und tiefer in den Wald hineinführte, hörte er
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