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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin
Autoren: Posie Graeme-evans
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Nachgeburt glitt mit einem Schwall von Blut heraus, und Jehanne wusste, obgleich sie ihren Namen rief, dass Alyce, den Säugling immer noch an die Brust gepresst, ihr Leben ausgehaucht hatte.
    Als Jehanne, von Tränen halb blind und betäubt, mit dem toten Mädchen im Arm dasaß, spürte sie jemanden neben sich. Blinzelnd erkannte sie eine Gestalt, die eine Laterne hob und die Hornscheibe zur Seite schob, so dass ihr das Licht ins Gesicht schien. Sie wich zurück.
    »Ich heiße Deborah. Ich bin hier, um dir zu helfen. Hab keine Angst.«
    Vielleicht lag es an dem unerwarteten Licht, vielleicht an den freundlichen Augen der Fremden, jedenfalls zögerte Jehanne nicht lange. Sanft löste sie den Säugling von der Mutterbrust, drückte Alyce die Augen zu und küsste sie auf die noch warmen Brauen.
    »Ruhe in Gottes Hand«, flüsterte sie. »Ich werde für dich beten, Alyce.«
    Mehr konnte sie nicht für sie tun. Die beiden Frauen stahlen sich mit dem schreienden Kind durch den nachtdunklen Wald davon und ließen das tote Mädchen allein unter den Bäumen zurück.

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    Kapitel 1
    Die Entbehrungen der Fastenzeit hatten die Faschingsvöllerei in Vergessenheit geraten lassen, und auf dem Fluss brach das Eis. Vom Schmelzwasser aus den weit entfernten Bergen im Westen schwoll die Themse an, und London erwachte aus einem langen, kalten Winterschlaf. Vor der Stadtmauer reckten die ersten Schneeglöckchen ihre Köpfe empor, und die Menschen warteten ungeduldig auf den Frühling und die Karwoche, denn kurz darauf kam der erste Mai und mit ihm die Wärme.
    Anne war zu durchgefroren und aufgeregt, um von der langen Reise müde zu sein. Die Erinnerung an den stillen Winterwald, aus dem sie gekommen war - war es wirklich erst sechs Tage her? -, erschien ihr beinahe unwirklich angesichts des Lärms und des Gedränges inmitten dieses Gewirrs aus Häusern und Straßen.
    In der Morgendämmerung des siebten Reisetages ging sie mit Deborah über die London Bridge. Mit ihnen strebte eine lärmende Menschenmenge auf die Stadt zu, wo alle etwas zu erledigen hatten. Die zwei Frauen kamen nur langsam voran. Sie versuchten, sich nicht von dem zerfallenen, steinernen Gehweg drängen zu lassen, der sich eng an die Mauern der überhängenden Häuser und Läden schmiegte. Nur auf dem Gehweg waren sie vor den Reitern und Fuhrwerken auf der von Schlamm, Urin und Mist verunreinigten Straße sicher.
    Der Gestank und der Lärm setzten Anne sehr zu. Nie zuvor hatte sie so viele Bettler mit in Lumpen gewickelten Füßen, offenen Wunden und verstümmelten Körpern gesehen. Auch war sie noch nie einem Fremden so nah gekommen, dass ihr der Gestank seiner fauligen Zähne in die Nase stieg, wenn er einem Kumpanen in der Menge etwas zurief. Anne hatte keine Angst vor Krüppeln - es gab wohl kaum einen Menschen, der in seiner Kindheit nicht Bekanntschaft mit Narben und Verletzungen gemacht hätte -, doch hier schien fast jeder Dritte in irgendeiner Weise missgestaltet zu sein. Deborah erklärte ihr, viele von ihnen seien Veteranen aus den Kriegen in England und Frankreich.
    »Kümmert sich denn niemand um sie? Vielleicht der König?«, fragte Anne erstaunt.
    Deborahs Antwort ging im Lärm einer bewaffneten Reiterschar unter, die sich fluchend einen Weg durch die Menge bahnte und die Menschen zwang, sich mit einem Sprung vor den trampelnden Hufen zu retten. Anne wunderte sich über ihr derbes Benehmen und die gefühllose Art, mit der sie die Leute mit Peitschen auseinander trieben, um Platz für ihre Pferde zu schaffen. Wurden gewöhnliche Leute wie Vieh behandelt, nur weil sie arm aussahen?
    Bis zu diesem Tag hatte sie sich nie als arm betrachtet. Doch als sie die Londoner betrachtete, sah sie, dass ihre eigenen Kleider - die Stadtkleidung, die Deborah mit so viel Liebe und Mühe geschneidert hatte - schlicht und trist aussah im Vergleich mit den juwelenbesetzten Samtröcken, den üppigen Fellmänteln und Seidengewändern der Männer und Frauen, die erhobenen Hauptes in die Stadt ritten.
    Dort, wo sie herkam, gab es kaum Münzgeld, doch es spielte keine Rolle, da es ohnedies nicht viel zu kaufen gab. Die Menschen bauten ihre Nahrung selbst an, webten ihre eigenen Stoffe und nähten ihre Kleidung selbst. Keiner musste auf den anderen neidisch sein. Alle besaßen ungefähr gleich viel. Doch London war eine andere Welt, und Anne spürte zum ersten Mal in ihrem Leben ein Verlangen nach den hübschen Dingen, die andere besaßen.
    Schlimmer als die Art und
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