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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
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untereinander in Kontakt stehen – die wichtigsten sind Türkisch, Arabisch, Russisch und Jugoslavisch.Neue Mehrsprachigkeiten, an denen noch viele andere Sprachen beteiligt sind.Eine Renaissance der Mündlichkeit, die sich von dem geschriebenen Standard entfernt und auf Schnelligkeit setzt.Ein subtiler Einfluss des Englischen.Eine Anlage im Deutschen selbst, das sich mitten in einer typologischen Drift befindet, an der viele Sprachen in Europa teilnehmen.
    Â Â 5. Eine besondere Rolle übernimmt dabei eine Vielzahl von neuen ‹Ethnolekten› , die sich in Deutschland herausbilden. Die wichtigsten sind verzweigte Sprachformen der großen Migrantengruppen, die im Buch unter der Benennung Türkisch-Deutsch, Russisch-Deutsch, Jugoslavisch-Deutsch und Kiezdeutsch behandelt werden. Besonders durch das ‹Codeswitching› wird die Grammatik sowohl der Migrantensprachen als auch die des Deutschen relativiert.
    Â Â 6. Der Komplex ‹ Einfluss der Migrantensprachen› hat im wesentlichen diese Lesarten: Mehrsprachigkeit als neues psychosoziales Phänomen.Der sogenannte ‹Akzent› der Migranten im Deutschen.Codeswitchung in neuen gemischten Ethnolekten.Übernahmen und Kopien aus den Herkunftssprachen.
    Â Â 7. Veränderungen , die auf Migration, Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit zurückgeführt werden können, finden auf allen sprachlichen Ebenen des Deutschen statt: Die Linguisten sprechen von der phonetischen, der morphologischen, der syntaktischen, der semantischen, der phraseologischen und der pragmatischen Ebene.
    Â Â 8. Die wichtigsten Veränderungen sind: Abbau der Kasus, Erosion der Endungen, Abbau des grammatischen Zusammenhangs, Schwankungen beim Artikel, neue Rolle der Präpositionen, neue lexikalische Modelle, neue Fremdwörter aus anderenKulturkreisen. Last but not least: Es entsteht ein neues, offeneres Kulturbewusstsein bei Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
    Â Â 9. Das Deutsche (in seiner gesprochenen Form) befindet sich heute in einer bestimmten Etappe des Sprachwandels: von einer im Prinzip noch verdichteten Sprachstruktur (‹synthetisch›) hin zu einfacheren und offeneren Strukturen (‹analytisch›). Es nähert sich damit weiter an die westeuropäischen Sprachen an, was durch den immensen Einfluss des Englischen zusätzlich unterstützt wird. Die Konfrontation mit Migrantensprachen ist der wichtigste ‹Katalysator› dieses Wandels.
    10. Dieses Buch ist eine Bestandsaufnahme – mehr nicht. Sie bleibt notwendigerweise punktuell und fasst eher die Landschaft des aktuellen Sprachwandels im Überblick zusammen, als dass sie bereits umfassende Analysen der einzelnen Merkmale bieten kann. Diese Bestandsaufnahme könnte aber so etwas wie der Startschuss sein für eine neue Vision der Sprachensituation im Deutschland der Zukunft.

 
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ERSTES KAPITEL
SPRACHKONTAKTE
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1. SPRACHKONTAKTE IN DER WELT UND IN EUROPA
    Mittlerweile beginnt jede Einführung in Dinge des Sprachkontaktes mit dem Hinweis darauf, dass Kontakte zwischen Sprachen und Mehrsprachigkeit weltweit nicht die Ausnahme, sondern die Regel seien. Offenbar sieht sich die Linguistik heute gezwungen, das Selbstverständliche, Normale besonders zu betonen: Dies ist eigentlich nur deshalb notwendig, weil sie sich allzu lange solchen Erkenntnissen verschlossen hatte. In der Geschichte der europäischen Sprachwissenschaft gibt es denn auch so etwas wie einen Blinden Fleck, gewissermaßen eine schiefe Ebene, die man heute erst wieder im Nachhinein begradigen muss. Wenn man genauer hinsieht, kann man drei ‹Sünden› ausfindig machen, die bis heute ihre Spuren hinterlassen haben:
    Viel zu lange standen europäische Sprachen mit ihrem weltweiten Kultur- und Herrschaftsanspruch im Vordergrund. Die Sprachen des alten Kerneuropas, Englisch, Deutsch und Französisch, waren die ‹westlichen Kultursprachen›, die uneingeschränkte Priorität beanspruchten und die Sprachenfülle der Welt über lange Zeit vom Horizont der Wissenschaft fernhielten.
    Das hat, zweitens, seit dem 19. Jahrhundert dazu geführt, dass man im Prinzip nationenorientierte Philologie betrieb und deshalb die Vernetzung von Sprachen und Kulturen in großen Arealen nicht erkennen konnte.
    Und dies wiederum hat, drittens, dem Mythos von der einen Sprache Vorschub geleistet, die den Staat, die Nation oder den
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