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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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unterzubringen wusste.
    Ich marschierte beim Zirkus Krone an den Stallungen entlang. Durch jede noch so kleine Ritze meiner Stiefel drang feuchte Kälte an die Füße. Ungute Gefühle waren gefährlich. Sie waberten wie Nebel, machten alle Konturen undeutlich und ließen das Wesentliche im Ungefähren verschwimmen. Da hat ein Vorgesetzter seinem Angestellten einen ziemlich Ätzenden mitgegeben. Der trottet nach Hause durch den Matsch, fühlt sich zuerst klamm, dann alt, krank, müde und heimatlos. Und träumt von der schönen Zeit, als Mutter ihm noch die nassen Botten ausgezogen und die Füße wieder gewärmt hat. Dann verdrückt das Arschloch ein paar sentimentale Tränchen, beklagt seine Geworfenheit in diese scheußliche Welt, statt stehenden Fußes kehrtzumachen und dem alten Ekel im Büro endlich eins zwischen die Hörner zu geben.
    Auf der Hackerbrücke hatte ich endlich die gedankliche Leistung vollbracht, mich selbst als dieses Arschloch zu identifizieren und im Klartext vor mir zu haben, dass dieseGeschichte mit unserem Staatssekretär Herrn Dr. Hirschböck oberfaul war. Wieso ging der auf alles so bereitwillig ein? Warum hatte der überhaupt an diesem Wiesnabend die Studie eingesteckt? Und wenn Traublinger dealen wollte, warum tat er es dann nicht vom ministeriellen Büro aus?
    Logisch: Ich war in dieser Sache noch nicht am Ende meines Wegs angekommen.
    Egal, heute Abend gab es Entspannung und Kamillenpunsch für mich, das war sicher.
    Als ich endlich in meinem Laden angekommen war, hörte ich die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab. Darauf war Julius, mehrfach wie im Zeitraffer. Er habe es hinbekommen, das Exposé online zu stellen. Schön, das wusste ich bereits. Im Übrigen sei er an einer großen Sache dran. Das klang spannend. In der nächsten Nachricht entpuppte sich das große Ding als die Geburt einer neuen Band, ein Powertrio, bestehend aus den beiden Gitarristen Julius und Onkel Tom sowie dem Drummer Henry Finkel. Ob ich einen zugkräftigen Namen für sie wüsste? Durchaus: Die alten Hasen oder gerne auch The Old Rabbits. Das klang so zugkräftig wie Old Shatterhand oder Old Surehand. Letzte Nachricht: Er habe beim Wirt in Unterastbach einen ersten Gig vereinbaren können. Bereits nächste Woche.
    Du meine Güte, ließen sich denn in München so viele Drogen auftreiben, dass das gutgehen konnte?
    Dann telefonierte ich mit Emma. Sie erneuerte unsere lose Verabredung. Ihre Wohnung war in Trudering, in einer Kleinhäuslersiedlung, wo Schrebergärtner nach dem Krieg ihre Holzschuppen mit Kriegstrümmern zu echten Häusern aufgewertet hatten. Offenbar hatte Emma dort geerbt.
    Das Häuschen mochte eine Grundfläche von gerade mal vierzig Quadratmetern haben. Um es herum wucherte ein Gartenstreifen. Sie bat mich an den gedeckten Tisch, wo eine Suppe stand, die sie gekocht hatte. Dazu gab es Tee, das hatte sie ganz ernst genommen. Geduldig hörte sie sich an, was mir alles widerfahren war. Ihre ruhige Aufmerksamkeit entspannte mich. Das aber war nur der Anfang. Bereits gegen zehn Uhr war ich durch die angenehme Wärme ihres gusseisernen Ofens wie umgenietet und so müde, dass sie mir auf dem Sofa das Bett bereitete. Ich schlief wie bei Muttern, nachdem sie mir die nassen Botten ausgezogen und meine kalten Füße gewärmt hatte. Als ich am anderen Morgen aufwachte, war Emma bereits weg. In der Küche fand ich alles, um mir einen Kaffee zu kochen. Mir ging es gut, ich fühlte mich so wohl wie einer, der seine verlorene Hälfte wiedergefunden hatte.

47
    Mit einem alten Journalistenausweis machte ich mich zur Pressekonferenz ins Maximilianeum auf. Diesen Ausweis hatte ich mir früher einmal erschlichen. Inzwischen habe ich mir einige Fertigkeit im Umgang mit Kartoffelstempeln erworben und war in der Lage, ihn eigenhändig immer wieder zu verlängern. Beim Kauf von Neuwaren jeder Art war dieser Ausweis ein unentbehrlicher Begleiter, der alles billiger und später jede Reklamation dringlicher machte. Selbst internationale Konzerne vermieden geflissentlich, dass sich ein kläffender Pinscher in sein vermeintlich gutes Recht verbiss und irgendein Blatt schließlich mit der Schlagzeile hervortrat, man habe einem Münchner Journalisten bitter Unrecht getan. Hinter diesen aufgeblasenen Geschichten standen selbst wieder Journalisten, die peinlich genau darauf achteten, dass ihnen für den nächsten Einkauf keine Felle davonschwammen.
    Der Pförtner wusste Qualitätsarbeit zu schätzen, machte mir keine
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