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Motte Maroni - Flossen des Grauens

Motte Maroni - Flossen des Grauens

Titel: Motte Maroni - Flossen des Grauens
Autoren: Residenz
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vergraulen.
    Genervt legt Herta auf und fährt ihren Laptop hoch, um Professor Anselm Maroni zu googeln und Kontakt herzustellen. Als Nina sie wachrüttelt, liegt Hertas Kopf auf der Computertastatur. Ihre linke Gesichtshälfte sieht aus wie ein dreidimensionales Schachbrett. Nina findet das „ur lustig“ und wird von ihrer schlafgrantigen Mutter mit Hausarrest nicht unter zwei Wochen bedroht.

Das Stadionbad ist nicht der Ozean
    Die Sommersonne brennt schon am späten Vormittag unbarmherzig ins Wohnzimmer der Herren Maroni. Beide lümmeln auf dem Sofa herum und schwitzen um die Wette. Obwohl die Balkontüre sperrangelweit offen steht, bewegt sich die Luft keinen Millimeter. Der kleine Plastikfußball am Deckenventilator zieht brummend und vergeblich seine Kreise, eine fette Stubenfliege umschwirrt Mottes Kopf wie ein lebendiger Heiligenschein. „Einhundertdreiundvierzig, einhundertvierundvierzig, einhundertfünfundvierzig, …!“, zählt Motte.
    Vater Maroni hält seit zehn Minuten eine geschälte Banane vor sein Gesicht und hat offenbar vergessen, warum er dieses tut. Die Banane wird von Minute zu Minutebrauner und weicher. Ferienbeginn, Hitze und Langeweile bringen auch das ausgebuffteste Professorenhirn zum Stehen. „Einhunderteinundfünfzig, einhundertzweiundfünfzig, einhundertdreiundfünfzig, …!“, zählt Motte matt weiter.
    Der letzte Sommer war weniger erholsam. Mottes Vater, seines Zeichens Meeresbiologe und Haifischspezialist, erforschte in Neuseeland, wo ja im Sommer bekanntlich eiskalter Winter herrscht, das Paarungsverhalten der pfeilschnellen Makohaie. Sein Sohn Motte musste sich währenddessen mit einer Horde Untoter herumschlagen. Und das war, wenn man Mottes Schilderungen glauben darf, ebenfalls kein Bemmerl. Erholsam war das schon überhaupt nicht. *
    Dieses Jahr hatten sich Motte und sein Vater auf einen gemeinsamen Urlaub gefreut. Sonnenbaden, Erfrischung im kühlen Nass suchen, jede Menge Eis schlecken, gelegentlich und möglichst unauffällig wohlgeformten Damen im Badedress nachgaffen … Leider hatten die beiden Herren Maroni damit zwar das Gleiche gemeint,jedoch nicht unbedingt dasselbe. Denn während Motte an einem Meeresstrand sonnenbaden, im Ozean (oder zumindest in der Adria) Erfrischung suchen, exotisches Eis schlecken, bräunende internationale Mädels abchecken und des Abends Leckeres vom Grill schnabulieren wollte, suchte Mottes Vater ebendieses nicht in fremden Gefilden, sondern eher im städtischen Nahbereich. „Wozu in die Ferne schweifen, Motte?“, erklärte Professor Maroni seinem Sohn zu Ferienbeginn. „Das Gute liegt so nah, quasi um die Ecke! Farbe schinden auf dem Balkon! Schlüsseltauchen im Stadionbad! Tretboot fahren auf der alten Donau! Eis schlecken am Donaukanal! Schmalzbrot beim Heurigen! Und am Abend eine Runde mit der Hochschaubahn! Wien im Sommer, was gibt es Schöneres?“
    Motte wollte das aber partout nicht einsehen. „Ich leg mich doch nicht den ganzen Sommer ins Stadionbad, das ist doch total fad!“, rief er verzweifelt. „Ich will ans Meer! Ich will Sommer, Sonne und Wellen!“
    Mottes Vater hob triumphierend den Zeigefinger. „Im Stadionbad haben sie eine Wellenanlage, die erzeugt sooo hohe Wellen! Echt super!“ Aber Motte blieb stur. Bald würden alle seine Freunde verreist sein, die Stadt würde ausgestorben in der Gluthitze vor sich hin dampfen. Kein Meier, nicht einmal Cousin Vladi könnte er inStammersdorf besuchen. Der würde nämlich mit seinem Mistkäfer-Zuchtbullen KHM auf ein Kampfkäfercamp nach Langenlois fahren. *
    Mottes Vater begann zu verzweifeln. Natürlich wollte er seinem Sohn schöne Ferien ermöglichen, aber der Forschungstrip nach Neuseeland vom letzten Jahr hatte leider ein beträchtliches Loch auch ins diesjährige Ferienbudget der Herren Maroni gerissen. So reichte es nur für zwei Saisonkarten fürs Stadionbad und immerhin für Prater, Kino, Eis und andere sommerliche Freuden. Und am Ende musste Professor Maroni einem sehr enttäuschten Motte diesen finanziellen Engpass eingestehen.
    „Fünfhundertneunundfünfzig, fünfhundertsechzig, fünfhunderteinundsechzig, …!“, zählt Motte.
    Professor Maroni schreckt aus seinen Gedanken hoch. Dabei kann er gerade noch verhindern, dass die braune Banane auf seine Haifisch-Boxershorts kippt. „Mein Sohn, was zählst du da in der Gegend herum?“, erkundigt er sich.
    Motte antwortet matt: „Ich zähle die Rundenanzahl, die die Fliege schafft! Gestern waren es
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